Der designierte FPÖ-Chef lässt offen, ob er bei der nächsten Bundespräsidentenwahl antreten wird. Im Herbst will er jedenfalls Spitzenkandidat sein.
Stadt- und Landesregierungen lösen sich auf, im Bund verlassen die freiheitlichen Minister ihre Posten: Das „Ibiza-Video“, in dem sich der mittlerweile zurückgetretene FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache mit einer vermeintlichen Oligarchin über Staatsaufträge für millionenschwere Spenden unterhalten hat, hat ein innenpolitisches Beben ausgelöst. Es sei „unentschuldbar“, was in den Clip zu hören sei, sagte Straches Nachfolger an der Parteispitze, Norbert Hofer. Und er kündigte an, dass die Freiheitlichen unter seiner Führung völlig transparent agieren würden.
Ein externer Wirtschaftsprüfer werde alle Finanzen der FPÖ sowie von ihr nahestehenden Parteien durchleuchten, mühte sich Hofer den gesamten Montag über, zu betonen - und wiederholte dieses Ansinnen auch am Abend im „ORF Report spezial“ zur Regierungskrise. Und Hofer will auch die Wahlkampfkostengrenze - anders als bei der Nationalratswahl 2017 - im nächsten Wahlkampf einhalten.
Weiters bekundete der designierte Parteiobmann, er halte es für überlegenswert, Großspenden an Parteien zu verbieten. Schließlich funktioniere die Parteienförderung so gut, da könnte man ein neues System finden, meinte er.
Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl?
Dass er die FPÖ als Spitzenkandidat in die nun vorgezogene Nationalratswahl führen werde, davon ging Hofer aus. Über die - bisher immer als seine feste Absicht genannte - neuerliche Kandidatur bei der nächsten Bundespräsidentenwahl (dies hatte er umgehend nach seiner Wahlniederlage gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen angekündigt und seither mehrfach wiederholt) denkt er jetzt nicht mehr nach, räumte er ein. Denn: Das sei "so weit weg", das werde man dann sehen.
Der "nette Blaue von nebenan", Nobert Hofer, drängte lange nicht in die erste Reihe. Zur Kandidatur als freiheitlicher Präsidentschaftskandidat musste er überredet werden. Auf den zweiten Blick war die Niederlage für Hofer ein Segen. Innerparteilich wurde er durch sein gutes Abschneiden enorm gestärkt. Noch am Wahlabend sagte er damals: Ihn ihm sei "ein schlafender Bär geweckt“ worden. Doch an der Parteispitze hielt sich Hofer nach dem Abtreten Heinz-Christian Straches nicht ganz zwei Jahre. Am 1. Juni 2021 kündigte er seinen Rücktritt an. (hell/j.n./klepa) APA/AFP/JOE KLAMAR
Der Reihe nach: Hofer wurde am 2. März 1971 in Vorau geboren, in Pinkafeld wuchs er auf. Nach dem Abschluss der Matura auf der HTL für Flugzeugtechnik arbeitete der Burgenländer drei Jahre als Systemingenieur für Triebwerke und Hilfsgasturbinen sowie als Bordingenieur bei Lauda Air Engineering. Seine ersten Schritte auf dem politischen Parkett wagte er im Jahr 1994 – er trat der FPÖ bei, wurde Stadtparteiobmann, Wahlkampfleiter und Organisationsreferent der Freiheitlichen in Eisenstadt. Bald stieg Hofer zum Landesparteisekretär auf, wechselte 1997 in den Eisenstädter Gemeinderat, wurde Klubsekretär. APA/HELMUT FOHRINGER
Im April 2005 spalteten sich die Freiheitlichen auf: Jörg Haider gründete das BZÖ, Strache übernahm die „Rest“-FPÖ, für die sich Herbert Kickl und Norbert Hofer entschieden. Strache soll Hofer zunächst den Posten als Generalsekretär angeboten haben, dieser lehnte jedoch ab – der Job passte besser zu Kickl. Hofer wurde stattdessen stellvertretender Bundesparteiobmann. Im Jahr darauf zog er in den Nationalrat ein. APA/GEORG HOCHMUTH
Hofer, der auch als Behindertensprecher agierte, zählt zu den Chefideologen der FPÖ: Am 2013 in vierter Auflage erschienenen „Handbuch freiheitlicher Politik“ war er federführend beteiligt, ebenso am aktuellen Parteiprogramm – und das, obwohl der Vater von vier Kindern (aus zwei Ehen) eigentlich aus bürgerlichem Umfeld kommt: Sein Vater war ÖVP-Gemeinderat. In einem Interview im Laufe des Präsidentschaftswahlkampfes, räumten er und seine Frau Verena ein, sich deswegen zunächst heimlich getroffen zu haben. APA/ERWIN SCHERIAU
Im Laufe seiner politischen Karriere gab es von dem 48-Jährigen auch eigenwillige Vorstöße, wie den (mittlerweile revidierten) nach einer Abschaffung des Verbotsgesetzes oder den nach der Erforschung von Chem-Trails – letzteres eine Position, die eher von Verschwörungstheoretikern vertreten wird. Hofer ist Mitglied im elitären St-Georgs-Orden sowie Ehrenmitglied der schlagenden Burschenschaft Marko-Germania Pinkafeld. Sein jetziger Büroleiter ist René Schimanek, der gemeinsam mit seinem Bruder Hans-Jörg im Tross vom verurteilten Neo-Nazi Gottfried Küssel unterwegs war. REUTERS
Hofer galt als „freundliches Gesicht“ der FPÖ, er trat ruhig auf, gab sich umgänglich. Im Präsidentschaftswahlkampf ließ er auch in sein Familienleben blicken, gab gemeinsam mit seiner jüngsten Tochter ein Interview, sprach über seine Lieblingsserie („The Good Wife“), seine Haustiere (Katze und Hund). Doch er kann nicht nur sanftmütig. Das belegt der berühmt gewordene Satz aus dem Präsidentschaftswahlkampf: "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“ REUTERS
Möglich wurde durch die Nationalratswahl 2017 eine Regierungsbeteiligung der FPÖ. Norbert Hofer, der 2003 einen Paragleit-Unfall hatte (er stürzte aus 15 Metern ab, zog sich eine inkomplette Lähmung zu, kann nach einer mehrmonatige Rehabilitation aber wieder gehen), wurde Infarstrukturminister. Als solcher fiel er vor allem mit Themen wie dem Tempo 140, dem LKW-Abbiegeassistenten und Umfärbungen in staatsnahen Betrieben auf. APA/AFP/DIETER NAGL
Hofer war in der Zeit von Türkis-blau (gemeinsam mit Gernot Blümel auf türkiser Seite) Regierungskoordinator und war damit in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden. Die immer wieder auftauchenden Gerüchte nach der Präsidentschaftswahl, wonach er die FPÖ von Strache übernehmen könnte, wurden stets vehement dementiert. Im Ibiza-Video sagte Strache: „Solange ich nicht tot bin, hab ich die nächsten zwanzig Jahre noch das Sagen.“ Doch sollte ihm etwas zustoßen würden, wie er selbst sagte, sollten Norbert Hofer oder Johann Gudenus übernehmen. Und Hofer wurde im Septemer 2019 zum Nachfolger Straches gewählt APA
Norbert Hofer: Das freundliche Gesicht der FPÖ gibt Parteivorsitz ab
Der zurückgetretene FPÖ-Chef schließt aus, dass es weiteres kompromittierendes Material gegen ihn geben könnte. Er trage an dem Ibiza-Skandal „eine gewisse Mitschuld“.
Die FPÖ schießt sich auf Kanzler Kurz und Bundespräsident Van der Bellen ein. Der ÖVP sei es darum gegangen, „die Führung der schwarzen Machtzentrale Innenministerium zurückzuerobern“.
Er blicke "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" zurück, teilt der designierte FPÖ-Chef mit. Dass einige Projekte "auf der Strecke bleiben", sei schade.