Frankreich: Eine Wahl "zwischen Pest und Cholera"

Eine Demonstrantin hält ein Plakat gegen Le Pen und Macron in die Höhe.
Eine Demonstrantin hält ein Plakat gegen Le Pen und Macron in die Höhe.imago/Paulo Amorim
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Viele Franzosen sehen sich weder durch die Rechtspopulistin Le Pen noch durch den Favoriten Macron repräsentiert. Sie rufen zum Boykott der Wahl auf.

"ZwischenPest und Cholera entscheide ich mich, nicht krank zu werden." Mit diesen drastischen Worten rufen derzeit in den sozialen Medien unzufriedene französische Bürger dazu auf, nicht zur Präsidentenwahl zu gehen. Im Kurznachrichtendienst Twitter macht der Hashtag #SansMoiLe7Mai ("Ohne mich am 7. Mai") die Runde. Vor allem sind es Sympathisanten der Linken, die weder mit dem wirtschaftsliberalen Kandidaten Emmanuel Macron noch mit der Rechtspopulistin Marine Le Pen etwas anfangen können.

Auch die breite Unterstützung des parteiunabhängigen Macron durch die führenden Politiker des Landes kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich viele Bürger vom am 7. Mai letztlich gewählten Präsidenten - egal, wer es ist - wohl nicht wirklich repräsentiert fühlen werden. Die Wahlaufrufe der etablierten Kandidaten für Macron verstärkt den Eindruck eines "Elitekandidaten" sogar noch.

Warum der von der Linken als "neoliberal" attackierte Macron in Umfragen dennoch deutlich führt und die Wahl gewinnen dürfte? Weil viele die Kandidatin der Rechtsaußen-Partei Front National, die gegen Ausländer agitiert und sich für einen EU-Austritt einsetzt, eben noch weniger wollen. Derzeit führt der wirtschafts- und sozialliberale, erst 39-jährige Ex-Wirtschaftsminister mit 60 Prozent deutlich gegen die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen, die einen Austritt aus der EU befürwortet.

Doch Meinungsforscher warnen, dass bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung ein Sieg der Rechtspopulistin nicht ausgeschlossen ist. Dieses Szenario erscheint zwar sehr unwahrscheinlich. Doch der Montag nach dem Wahlsonntag ist in Frankreich ein Feiertag. Viele Franzosen könnten das verlängerte Wochenende deswegen fern der Wahllokale verbringen, keine gute Nachricht für Macron.

Image des "Etablierten" bleibt hängen

Der Philosoph Michel Onfray analysierte jüngst in einem Interview mit der Zeitung "Le Figaro" diese angespannte Situation, wobei er mit scharfer Kritik nicht sparte: Die politische Elite Frankreichs, insbesondere die Linke, habe die Arbeiter und die einfachen Menschen verraten, gleichzeitig aber die Front National zum Gottseibeiuns erkoren, um in Ruhe weiter regieren zu können. "Sie haben bewusst diesen Dämon, den sie angeblich hassen, seit einem Vierteljahrhundert genährt. Er ist ihnen sehr nützlich, damit das Präsidentenamt der Republik immer für einen der Ihren gesichert bleibt - für einen Freund des Kapitals..."

"Der Kandidat der Oligarchie", so bezeichnet auch Le Pen ihren Konkurrenten Macron, der trotz seiner Loslösung von den etablierten Parteienstrukturen nicht so richtig vom Image des "Elitären" loskommt. Sohn aus gutem Hause im nordfranzösischen Amiens, Schüler einer katholischen Privatschule und eines Pariser Elitegymnasiums, Absolvent der Elitehochschulen Sciences Po und ENA, Finanzbeamter, Investmentbanker, Berater von Präsident Francois Hollande, Wirtschaftsminister...

Der Europa-Freund und die Euroskeptikerin.
Der Europa-Freund und die Euroskeptikerin.APA

Der Lebenslauf des 39-Jährigen mit den perfekt sitzenden Anzügen steht für jenes Frankreich, "das es sich richten kann", und das mittlerweile viele für die politische und wirtschaftliche Malaise des Landes verantwortlich machen.

Eine tiefe Unzufriedenheit über die Allgemeinsituation des Landes, von der Arbeitslosigkeit über Kriminalität und Terrorismus bis zur Wirtschaftslage, waren bereits vor dem ersten Wahlgang am 23. April spürbar. Hinzu kommt nun eine starke Unsicherheit, vor allem angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen, deren Resultat wohl die üblichen politischen Abläufe des Landes völlig infrage stellen könnte.

Macron will Parlament umkrempeln

Denn bisher hatte der Präsident durch die knapp hintereinander angesetzten Wahltermine meistens eine deutliche Mehrheit in der Volksvertretung hinter sich. War dies einmal nicht der Fall ("cohabitation"), so galt das als nicht wünschenswert und lähmte die Durchsetzungskraft des Staatschefs. Dazu kommt nun diesmal, dass hinter Macron gar keine traditionelle Partei, sondern eine sich gerade erst formierende Bewegung steht, die bei der Wahl zudem vor allem auf politische Laien setzen will. Deren Erfolg in den einzelnen Wahlkreisen gegenüber alteingesessenen Politikern ist wiederum alles andere als sicher.

Woher also die notwendige parlamentarische Unterstützung in Zukunft nehmen? Macron hat bereits ein Regieren mit wechselnden Mehrheit ebenso abgelehnt, wie eine formelle Koalition mit den etablierten Parteien, den konservativen Republikanern (LR) oder den Sozialisten (PS). Seine Vorstellung ist eine andere: "Es wird in der kommenden Zeit eine Neubegründung des politischen Lebens geben, wo Sozialisten und Republikaner sich mir individuell anschließen werden", sagte er im Gespräch mit "Le Figaro". Eine richtungsübergreifende präsidiale Einheitsfront statt politischer Parteien also? Dieses Wahljahr könnte die politische Szene Frankreichs wirklich ganz und gar verändern.

(APA/Petra Edlbacher)

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