Nach einem mehr als 24-stündigen Verhandlungsmarathon einigen sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD auf den Start der Koalitionsverhandlungen. Doch noch hängt alles von der SPD ab: Am 21. Jänner soll ein Parteitag entscheiden.
Mehr als 24 Stunden dauerte die Finalrunde der deutschen Sondierungsgespräche: Um kurz vor 9.00 Uhr am Freitag vermeldete die Sechserrunde aus Partei- und Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und SPD den - vorläufigen - Durchbruch. Denn noch hängt alles von der SPD ab. "Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben", warb Parteichef Martin Schulz daher nach dem Verhandlungsmarathon für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der Union. In betont amikaler Stimmung trat er Freitagvormittag mit CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer vor die Presse.
Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl ist die Hürde für die SPD-Spitze hoch: Sie braucht für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen die Zustimmung eines Parteitags am 21. Jänner in Bonn. Schließlich aber kann erst eine Mitgliederbefragung den Weg in eine neue große Koalition, die dritte der Ära Merkel, absegnen. Doch große Teile der Partei zieren sich gegen die „tödliche Umarmung“ durch die Bundeskanzlerin. Widerstand kommt vor allem aus der SPD-Jugendorganisation Jusos.
Das vorläufige Sondierungspapier hat einen Umfang von 28 Seiten. Darin einigten sich die drei Parteien unter anderem auf eine Begrenzung der Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland. Zugleich wollen sie den Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz mit Einschränkungen wieder zulassen.
Ringen um "schwarze Null"
Zentrale Probleme bei den Sondierungsgesprächen waren bis zuletzt die Finanz- und die Flüchtlingspolitik. Aber auch bei Themen wie Pensionen und Gesundheit hakte es. Dem Vernehmen nach wurde viele Stunden um die Finanzierung verschiedener kostspieliger Projekte in der Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik gerungen. Während die SPD ihre sozialpolitischen Agenden durchsetzen wollte, pochte die Union auf die "schwarze Null" im Haushalt - also den Verzicht auf neue Schulden.
Die Parteichefs waren zuletzt unter Druck geraten, eine Einigung zu erzielen. Die lange Zitterpartie nach den Wahlen im September und das Scheitern der Sondierungsgespräche zwischen Union, Grünen und FDP hat das Vertrauen in Kanzlerin Merkel geschwächt: Eine Mehrheit (56 Prozent) der Deutschen traut der Politikerin nicht zu, eine ganze Legislaturperiode bis 2021 durchzuhalten. Das geht aus einer Umfrage für das „Handelsblatt“ hervor.
Auch im Ausland werden die Sondierungsgespräche mit Spannung beobachtet. Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands gibt es drei Monate nach der Wahl keine neue Regierung. Viele Beobachter sehen in dem Berliner Stillstand einen großen Unsicherheitsfaktor für Europa.
(APA/ag./maka)