Wahl in Russland

Russland-Wahl: Putin für vierte Amtszeit wiedergewählt

Vertrauensvotum über den Präsidenten. Wladimir Putin bei der Stimmabgabe gestern in Moskau.
Vertrauensvotum über den Präsidenten. Wladimir Putin bei der Stimmabgabe gestern in Moskau.(c) REUTERS (POOL)
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Nur mit großer Anstrengung konnten die Russen zur Abstimmung bewegt werden. Putin steht in der vierten Amtszeit vor großen Herausforderungen.

Moskau. Dass der alte Präsident Russlands auch der neue sein wird, daran bestand schon seit Monaten kein Zweifel. Doch Wladimir Putins Wiederwahl sollte mehr sein als das. Der 65-Jährige wollte mit einem satten Votum im Amt bestätigt werden – von möglichst vielen der knapp 109 Millionen Wähler. Ein souveränes Vertrauensvotum für seine vierte und voraussichtlich letzte Amtszeit bis 2024 sollte der gestrige Wahltag sein.

Das Referendum über Putin glückte nicht vollständig, vor allem hinsichtlich der Wahlbeteiligung. Auf sie hatten die Behörden vor allem gesetzt. Den ganzen Sonntagabend lag sie bei rund 60 Prozent - was angesichts der breiten Mobilisierungskampagne niedrig erschien. Über Nacht kletterte sie doch noch auf 67,4 Prozent. Im Vorfeld der Wahl war eine erwünschte Beteiligung von 70 Prozent kolportiert worden.

Putin erhielt rund 76,6 Prozent der Stimmen, auf Platz zwei landete der kommunistische Kandidat Pawel Grudinin mit rund zwölf Prozent – angesichts der massiven Negativkampagne gegen ihn ein respektables Resultat. Dritter wurde der Rechtspopulist Wladimir Schirinowski mit knapp sechs Prozent. Für die liberale Fernsehjournalistin Xenia Sobtschak wurden zunächst nur etwa 1,6 Prozent gezählt, alle anderen erhielten noch weniger. Das Endergebnis wird im Laufe des Montags erwartet.

Es war ein inhaltsleerer Wahlkampf, dem es an echter Konkurrenz mangelte. In der nur mäßigen Wahlbeteiligung spiegelt sich die Überzeugung vieler Russen, dass Wahlen sowieso nichts ändern. Angesichts der beispiellosen Mobilisierungskampagne im ganzen Land stellt sich zudem die Frage, ob die Behörden ihre Bürger überhaupt noch erreichen. Die Stimmabgabe wurde als Staatsbürgerpflicht inszeniert, mit Wettbewerben und verbilligten Lebensmitteln im Wahllokal. Putins Wiederwahl fand am vierten Jahrestag der offiziellen Annexion der Halbinsel Krim statt – auch das sollte patriotische Herzen höher schlagen lassen.

Mehr Gesundheit, mehr Soziales

Ein kräftiges Ja aus dem Volk benötigte der Präsident, um in seiner vierten Amtszeit weiterhin als starker Mann Russlands regieren zu können – und um nicht als eine angeschlagene, lahme Ente zu wirken. Denn der neue-alte Kreml-Chef steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Außenpolitisch strebt Russland nach mehr Einfluss in der Weltpolitik, ist aber gleichzeitig in mehrerer Hinsicht schwer angeschlagen. Die internationalen Sanktionen im Gefolge der Krim-Annexion und des Krieges im Donbass schaden dem Ruf des Landes und behindern die wirtschaftliche Entwicklung. Die Olympia-Doping-Affäre oder die dem Kreml angelastete Vergiftung des russischen Ex-Agenten Sergej Skripal bescheren Russland weiterhin das Image eines Mafiastaates. Im Konfliktherd Syrien hat Russland zwar seine Durchgriffsfähigkeit unter Beweis gestellt, doch unklar ist, ob der Kreml bei der nationalen Aussöhnung und nachhaltigen Befriedung eine konstruktive Rolle spielen wird.

Auch innenpolitisch hat Putin einige Baustellen offen. Nachdem die letzte Präsidentschaft vor allem von außenpolitischem Engagement geprägt war, erwarten viele Russen eine Verbesserung ihrer persönlichen Lebensbedingungen. Der Präsident hat zuletzt milliardenschwere Investitionen im Gesundheitssystem, Armutsbekämpfung, Bildung und Technologieentwicklung für die nächste Amtsperiode angekündigt. Doch die Skepsis, ob er seine Versprechen einlösen kann, ist im Land zu spüren.

Und schließlich muss Putin bis 2024 seine eigene Nachfolge organisieren. Experten prognostizieren zwei mögliche Szenarien: Entweder lässt Putin die Verfassung ändern und sich zum Herrscher auf Lebenszeit ernennen – das chinesische oder kasachische Modell also. Das würde allerdings die vollständige Abkehr vom Westen bedeuten. Die andere Variante wäre der Aufbau eines Nachfolgers, der vermutlich aus einem Pool von Technokraten gewählt wird: jung, loyal und ohne eigene Machtbasis.

>> Rückblick: Die vier Phasen des Kremlherrschers [premium]

Auszählung in St. Petersburg
Auszählung in St. PetersburgReuters

Stapelweise eingeworfene Zettel

Die Kehrseite des gestrigen Tages waren Wahlfälschungen – vor allem stapelweise eingeworfene Stimmzettel, um die mangelnde Teilnahme der Bürger künstlich zu erhöhen. In der Teilrepublik Dagestan wurden Wahlbeobachter verprügelt. Dmitrij Kusnezow von der Wahlbeobachterorganisation Golos sah in Moskau wenig Raum für Manipulation – auch weil hier in so gut wie jedem Wahllokal unabhängige Beobachter stationiert waren. „Anders sieht es in Regionen aus, wo es kaum unabhängige Beobachter gibt.“ Als Problemregionen gelten die Nordkaukasus-Republiken, Mordowien, Tschuwaschien, Baschkirien oder der Ferne Osten.

AUF EINEN BLICK

Präsidentenwahl. Russland hat unter dem Eindruck einer schweren Krise mit dem Westen sein Staatsoberhaupt gewählt. Amtsinhaber Wladimir Putin gab sich am Sonntag siegessicher. Daran, dass er als Präsident bestätigt wird, bestand kein Zweifel. „Ich bin überzeugt von der Richtigkeit des Programms, das ich dem Land vorschlage“, sagte Putin laut Agentur Interfax bei der Stimmabgabe in Moskau. Er werde mit jeder Prozentzahl an Stimmen zufrieden sein, „die es erlaubt, die Aufgaben des Präsidenten zu erfüllen“, bekräftigte Putin. Angesichts des ohnehin erwarteten Wahlsiegs galt die Beteiligung als wichtiges Indiz für die Stimmung im Land. 2012 hatten 65,3 Prozent der Wähler teilgenommen. Putin siegte damals mit 63,6 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2018)

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