Kreml-Kritiker Roisman tritt als Bürgermeister zurück

APA/AFP/MLADEN ANTONOV
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Jewgenij Roisman regierte seit 2013 die Ural-Metropole Jekaterinburg. Sein Ausscheiden ist eine Reaktion auf die Abschaffung der Direktwahl des Stadtchefs.

Er galt als aufmüpfig und unbequem. Jewgenij Roisman, Bürgermeister der Ural-Metropole Jekaterinburg, war den Mächtigen ein Dorn im Auge. Seine Amtszeit endet im September 2018. Am Dienstag gab er seinen Rücktritt bekannt.

Der Hintergrund: Von den Bürgern kann Roisman nicht mehr wiedergewählt werden. Denn sein Amt gibt es nicht mehr. Die Abgeordneten des größtenteils Kreml-treuen Gebietsparlaments schafften die Direktwahl des Stadtchefs am Dienstag kurzerhand ab. Roisman sprach auf Twitter von einem "Betrug an den Bürgern und einem Verrat der Interessen der Stadt".

Die Initiative für den Vorstoß kam von Roismans Widersacher, Gouverneur Jewgenij Kujbaschew. Bei einem Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ sagte Roisman im Jänner, er habe "keine" Beziehung zu dem vom Kreml bestellten Politiker.

Die Entscheidung kam einer Ausschaltung des Putin-Kritikers gleich und war ein Schlag gegen die sowieso schwachen kommunalpolitischen Strukturen in Russland. Zwar hat Präsident Wladimir Putin vor seiner Wiederwahl die Stärkung der lokalen Selbstverwaltung versprochen. Wahr ist aber, dass seit seinem Amtsantritt vor mehr als 18 Jahren Kommunalpolitik fast nur auf Symbolebene existiert. Gouverneure werden vom Präsidenten bestellt und führen Moskaus Politikvorstellungen aus. Landesweit gibt es in nur acht regionalen Hauptstädten direkte Bürgermeisterwahlen. Stadtchefs bekommen „City Manager" zur Seite gestellt, die die Machtvertikale des Kreml durchsetzen.

Roisman gelang es im Jahr 2013 unerwartet, sich gegen den Kreml-Kandidaten durchzusetzen. Der Politiker ist in der 1,3 Millionen Einwohner zählenden Stadt bekannt wie ein bunter Hund. Roisman, der mit seiner Anti-Drogen-Initiative berühmt wurde, bewegt sich ohne Bodyguards und empfängt Bürger in seiner Sprechstunde. Er gilt als „Robin Hood des Ural", wie sein Biograf ihn einmal bezeichnete. Aus seinem oppositionellen Denken machte Roisman nie einen Hehl. So rief er gemeinsam mit Oppositionsaktivist Alexej Nawalny zum Boykott der Präsidentenwahl am 18. März auf, bei der Putin erwartungsgemäß im Amt bestätigt wurde.

Mehrheit gegen Abschaffung

Laut einer Umfrage des Instituts Sozium sprach sich die Mehrheit der Stadtbürger Jekaterinburgs gegen die Abschaffung der Direktwahl aus. 71 Prozent befürworteten gar eine Stärkung des Bürgermeisterpostens. Doch auch von Protesten ließen sich die Abgeordneten der Gebietsversammlung nicht beirren.

Die Reform begründeten sie mit Kostenkürzung und Effizienzsteigerung der Verwaltung. Klar war zudem, dass Roisman im neuen Wahlmodus nicht durchkommen würde: Künftig wird eine Kommission genehme Kandidaten sondieren. Die Wahl haben dann Stadträte. „Die Mächtigen benehmen sich wie ein wild gewordenes Nashorn", kommentierte Roisman im April. Künftig will er sich dem Aufbau eines Hospizes widmen.

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