Immer mehr westliche Staaten gehen auf Distanz zu Riad. Nach tagelangem Zögern verschärft US-Präsident Donald Trump seinen Ton und kündigt "strikte Reaktionen" an.
Der US-interne Druck auf US-Präsident Donald Trump hat Wirkung gezeigt, denn der Ruf nach Sanktionen gegen Saudiarabien war zuletzt immer lauter geworden: Nach langem Zögern geht Trump nun wieder verstärkt davon aus, dass der seit mehr als zwei Wochen vermisste saudiarabische Journalist Jamal Khashoggi tot ist. "Es sieht sicherlich danach aus für mich", antwortete Trump am Donnerstag auf eine entsprechende Frage von Reportern. Die Reaktion müsse "sehr strikt" sein. Bei dem Fall handle es sich um eine "schlimme, schlimme Sache". Noch sei es aber zu früh, um abschließende Schlussfolgerungen zu ziehen, wer der Drahtzieher sei, so Trump. Sollte sich herausstellen, dass Saudi-Arabien hinter der Tat stecke, müssten die Konsequenzen sehr hart sein.
Unterdessen sagten drei europäische Minister und der US-Finanzminister ihre Teilnahme an einer Investorenkonferenz in Saudi-Arabien ab.
Der US-Präsident überließ es bisher der saudi-arabischen Führung, den Fall selbst zu untersuchen - obwohl der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman unter dem Verdacht steht, die Ermordung des regierungskritischen Journalisten angeordnet zu haben. Die Opposition ortet hinter diesem Zögern finanzielle Interessenkonflikte seiner Familie. Auch geopolitisch bedeutet der Fall Khashoggi für die USA ein Dilemma, da sie für das Vorgehen gegen den Iran und für eine Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern auf enge Zusammenarbeit mit Riad setzt. Auch ist Saudi-Arabien ein massiver Abnehmer von US-Rüstungsgütern.
US-Außenminister Mike Pompeo erklärte nach seiner Rückkehr von Gesprächen in Saudi-Arabien und der Türkei, er habe Trump empfohlen, der Regierung in Riad noch ein paar Tage für ihre Untersuchungen im Fall Khashoggi zu geben. Dann könnten die USA entscheiden, ob und wie sie reagierten. Er erinnerte daran, dass die USA seit 1932 eine lange, strategische Beziehung zu dem Königreich unterhielten. Dieses sei auch ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terror. Trump sagte, er warte auf die Ergebnisse der Untersuchungen in Saudi-Arabien, "um der Sache rasch auf den Grund zu gehen". Dann werde er eine Erklärung abgeben.
Leiche im Belgrad-Wald?
Aus türkischen Sicherheitskreisen verlautete, die Ermittler hätten die Fahrtrouten von Wagen überprüft, die am Tag des Verschwindens von Khashoggi das saudische Konsulat in Istanbul und die Residenz des Konsuls verlassen hätten. Die Mörder könnten die Leiche des Journalisten danach im Belgrad-Wald nahe Istanbul oder nahe dem Ort Yalova, 90 Kilometer südlich der Stadt, versteckt haben. Möglicherweise seien die sterblichen Überreste in einem Bauernhaus oder einer Villa verborgen.
Die Türkei wirft Saudi-Arabien vor, Khashoggi im Konsulat des Landes in Istanbul getötet zu haben. Saudi-Arabien weist die Vorwürfe zurück. Der Sender CNN Turk zitierte den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit den Worten, die Türkei habe niemandem Audioaufnahmen zur Verfügung gestellt. Zuvor hatte es in Medienberichten geheißen, Ankara habe einen Mitschnitt der Tötung des Journalisten im Konsulat an die USA übergeben.
Für Saudi-Arabien könnte das Verschwinden des Journalisten ernsthafte Folgen haben. Immer mehr Größen aus Wirtschaft und Politik sagen ihre Teilnahme an einer Investorenkonferenz kommende Woche in Riad ab, darunter US-Finanzminister Steven Mnuchin. Auch die US-Großbank Goldman Sachs erklärte am Donnerstag, keinen Vertreter dort hin schicken zu wollen. Der Medienkonzern Fox Business Network zog sich als Sponsor der Veranstaltung zurück.
Teilnahme abgesagt
Nach dem Verschwinden Khashoggis sagt nun auch US-Finanzminister Steven Mnuchin seine Teilnahme an einer Investorenkonferenz in Saudiarabien ab. Damit machen immer mehr Größen aus Politik und Wirtschaft einen Bogen um das Treffen kommende Woche. Vor Mnuchin erklärte am Donnerstag der französische Finanzminister Bruno Le Maire, nicht nach Riad zu reisen. Auch sein niederländischer Kollege Wopke Hoekstra sagte einem Agenturbericht zufolge wie der Chef des französischen Rüstungskonzerns Thales, Patrice Caine, seine Teilnahme ab.
Le Maire begründete seine Absage damit, dass die "Voraussetzungen nicht gut" seien und forderte eine Erklärung der saudischen Regierung. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es Absagen zu dem Treffen gehagelt, mit dem Saudi-Arabien ausländische Investoren anlocken will. Das Königreich hält dennoch an der Veranstaltung vom 23. bis 25. Oktober fest.
Zuletzt erklärten unter anderem IWF-Chefin Christine Lagarde und die Vorstandschefs der Großbanken HSBC, Standard Chartered und Credit Suisse, sie wollten nicht anreisen. Andere ließen ihre Teilnahme noch offen. Siemens-Chef Joe Kaeser erklärte, er werde sich in den kommenden Tagen entscheiden. Auf einer Konferenz in Kanada hatte er am Dienstag gesagt, das Verschwinden Khashoggis sei zwar eine ernste Angelegenheit. "Wenn wir auf der anderen Seite aufhören, mit Ländern zu sprechen, in den Menschen vermisst werden, können wir zu Hause bleiben, weil wir mit niemandem mehr sprechen können." Eine Teilnahme deutscher Minister war ohnehin nicht geplant.
Eine Abkehr ausländischer Investoren könnte schwerwiegende Folgen für Saudi-Arabien haben, das vor einem tiefgreifenden Umbau seiner Wirtschaft steht. Das erdölreiche Land will seine Öl-Abhängigkeit reduzieren und sich zu einem hochmodernen Industrieland entwickeln.
Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, es gebe noch zu wenige Informationen über das Verschwinden von Khashoggi, um die Beziehungen zu Saudi-Arabien aufs Spiel zu setzen. Er wolle zunächst weitere Details abwarten.
(APA/AFP/Reuters)