Generalstreik und Proteste stürzen Hongkong ins Chaos

Der Bereich rund um das Regierungsviertel war voller Demonstranten und Tränengas-Wolken.
Der Bereich rund um das Regierungsviertel war voller Demonstranten und Tränengas-Wolken.REUTERS
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Tausende Menschen legten in Hongkong am Montag die Arbeit nieder. Busse und Bahnen fuhren nicht. Indes wird der Ton der umstrittenen Regierungschefin Carrie Lam schärfer.

In Hongkong haben die anhaltenden Proteste gegen Regierungschefin Carrie Lam und den Einfluss Chinas mit einem Generalstreik einen Höhepunkt erreicht. Nach einem erneuten Wochenende mit Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten stürzte am Montag die Sonderwirtschaftszone ins Chaos. Bahn- und Busdienste wurden eingestellt. Demonstranten blockierten Gleise und Bahnhöfe.

Auf den Straßen bildeten sich lange Staus. Pendler kamen nicht zur Arbeit. Am Flughafen von Hongkong wurden mehr als 200 Flüge gestrichen. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. 82 Menschen wurden festgenommen. Die Demonstrationen sollten im Laufe des Tages auf weitere Distrikte ausgedehnt.

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Der Ton von Regierungschefin Carrie Lam wird schärfer. Sie wandte sich zum ersten Mal seit zwei Wochen an die Öffentlichkeit und warnte, die Proteste seien eine Herausforderung für die Souveränität Chinas und würden eine "extrem gefährliche Situation" heraufbeschwören. Lam, die von der Regierung in Peking unterstützt wird, erklärte mit versteinertem Gesicht, die Demonstranten wollten eine Revolution. Damit werde die Vereinbarung "ein Land, zwei Systeme" infrage gestellt. Ihre Regierung werde entschlossen Recht und Ordnung durchsetzen.

Der früheren britischen Kronkolonie Hongkong wurden nach der Übergabe an China 1997 besondere Freiheitsrechte eingeräumt, die die Regierungsgegner gefährdet sehen. "Es ist totale Zeitverschwendung, ihr zuzuhören", sagte der 20 Jahre alte Student Jay Leung über Lam. "Ich glaube, die Regierung tut gar nichts, um die Gesellschaft zu heilen."

Der 49 Jahre alte Geschäftsmann Mark Schmidt sagte, die Regierung schaffe eine Situation, die für jedermann unerträglich werde. "Jetzt etwas Geld zu verlieren, ist nicht so ein großes Problem im Vergleich zum Verlust von allem, wofür die Freiheit von Hongkong steht."

Mehr als 24.000 Menschen bei Demonstrationen erwartet

Im Vorfeld des Generalstreiks hatten hunderte maskierte Demonstranten am Sonntagabend versucht, den Verkehr lahmzulegen. Sie blockierten Straßen, entzündeten Feuer und übersprühten Ampeln mit Farbe.

Beobachter sehen in den Protesten die schwerste politische Krise Hongkongs seit der Rückgabe an China vor 22 Jahren. Auch in der neunten Woche der Proteste gibt es keine Anzeichen, dass sich die Bewegung abschwächt. Die Zentralregierung in Peking hat die Ausschreitungen mehrfach scharf verurteilt und die Regierung und die Polizei vor Ort aufgefordert, wieder Ordnung herzustellen.

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Am Sonntag berichtete die „South China Morning Post“ noch von 14.000 erwarteten Demonstranten aus 20 Sektoren. Mittlerweile werden mehr als 24.000 erwartet. Am Flughafen der Millionenmetropole fielen mehr als 100 Flüge aus, Protestaktionen führten zudem zu Behinderungen im U-Bahn-Verkehr. Fluggäste werden angehalten, sich vor der Fahrt zum Flughafen über den Status ihres Flugs zu informieren. Ein Flughafensprecher machte keine Angaben zum Grund für die Streichung der Flüge.

In der Finanzmetropole gibt es seit fast zwei Monaten zu Kundgebungen mit Hunderttausenden Teilnehmern. Wiederholt kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Hongkongs Regierungschefin Lam hat das Gesetz zur Auslieferung mutmaßlicher Krimineller an China, das den Anlass für die Proteste gegeben hatte, mittlerweile zwar für "tot" erklärt. Die Proteste haben sich aber zu einer breiteren Bewegung gegen die Regierung und das harte Vorgehen der Polizei entwickelt. Viele Menschen befürchten zudem einen zunehmenden Einfluss Pekings und fordern demokratische Reformen.

Erneut erklärte Lam am Mittwoch, dass sie und die Regierung Fehler im Zusammenhang mit dem Gesetz gemacht hätten. "Ich übernehme die Verantwortung für das, was wir gemacht haben, weil ich die Regierungschefin bin." Einen Rücktritt, der von Demonstranten seit Wochen gefordert wird, lehnte Lam aber ab. Sie denke derzeit nicht, dass ihr Rücktritt für eine bessere Lösung sorgen würde, sagte Lam.

(APA/DPA/AFP/Reuters)

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