Italiens Lega bringt Misstrauensvotum gegen Premier Conte ein

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Innenminister Salvini drängt angesichts steigender Umfragewerte für seine Lega nach Neuwahlen und will das Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung auflösen. Doch der parteilose Premier Giuseppe Conte stellt sich quer.

Nach nur 14 Monaten an der Macht droht die Populisten-Allianz an der Spitze Italiens zu scheitern. Die rechte Lega von Italiens Innenminister Matteo Salvini will im Senat ein Misstrauensvotum gegen Regierungschef Giuseppe Conte einbringen. Das kündigte die Partei am Freitag an. Auf diesem Weg würde auch formal das Ende der Regierungsallianz der Lega mit der Fünf-Sterne-Bewegung besiegelt werden.

Schon am Donnerstag hatte Salvini das Bündnis für arbeitsunfähig erklärt und Neuwahlen gefordert. In einer Stellungnahme erklärte der Lega-Chef, er habe den parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Zusammenarbeit mit der Fünf-Sterne-Bewegung gescheitert sei. Deshalb solle man die Bürger schnellstmöglich entscheiden lassen. Das Parlament solle in der nächsten Woche zusammenkommen und die erforderlichen Schritte einleiten.

Staatspräsident Mattarella ist nun gefragt

Conte selbst widersprach dem Innenminister am Donnerstagabend, indem er sagte, es sei nicht an Salvini, das Parlament zusammenzurufen oder eine Blaupause für die Regierungskrise vorzugeben. Zudem warnte er den Lega-Chef, er werde nicht länger die Angriffe auf Kabinetts-Mitglieder tolerieren. "Es steht einem Innenminister nicht zu, über den Ablauf einer politischen Krise zu entscheiden, in der ganz andere institutionelle Akteure intervenieren." Er fordert Salvini stattdessen auf, im Senat zu erklären, warum er "frühzeitig, abrupt" das Handeln der Regierung unterbreche. Wirtschaftsminister und Fünf-Sterne-Chef Luigi di Maio warf seinem Koalitionspartner vor, das Land verschaukeln zu wollen und erklärte, Neuwahlen nicht zu fürchten.

So könnte es nun weitergehen: In der kommenden Woche könnten die Fraktionsvorsitzenden zusammentreffen, um die Senatoren und Abgeordneten aus der Sommerpause zu holen. Die entscheidenden Sitzungen könnten um den 20. August herum stattfinden. Conte könnte seinen Rücktritt auch jederzeit beim Staatspräsidenten einreichen - allerdings hat er bereits angekündigt, den Weg im Parlament gehen zu wollen.

Wäre die Regierung dann auch formal am Ende, würde der Ball bei Staatsoberhaupt Sergio Mattarella liegen. Bevor er den Weg zu einer Neuwahl ebnet, könnte er sondieren lassen, ob es auch eine andere Mehrheit im Parlament gibt. Ist das nicht der Fall, müsste er die Auflösung der Parlamentskammern veranlassen. 60 Tage nach der Auflösung des Parlaments könnte eine Wahl stattfinden - so viele Tage braucht man für die Vorbereitung der Wahl.

Salvini visiert offenbar den 13. Oktober für eine Wahl an. Dafür müssten die Kammern aber schon am 13. August aufgelöst werden, schreibt die Zeitung "Corriere della Sera". Das erscheint ziemlich unrealistisch angesichts der vielen Schritte, die jetzt folgen müssen. Wahrscheinlicher wären Termine Ende Oktober oder im November.

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Der Höhepunkt einer Reihe von Konflikten

Auslöser der Regierungskrise ist der Streit über eine knapp 300 Kilometer lange geplante Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke zwischen Italien und Frankreich. Bei einer Entscheidung im Senat stellte sich die Fünf-Sterne-Bewegung gegen Salvini, obwohl dieser zuvor mit Neuwahlen gedroht hatte. Der Streit um die Bahntrasse ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Konflikten zwischen den Koalitionspartnern. Salvini wirft der Fünf-Sterne-Bewegung eine Blockadehaltung bei wichtigen Projekten vor - insbesondere bei von der Lega angestrebten größeren Autonomierechten der Regionen.

Zu den Konflikten beigetragen hat auch, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen beiden Parteien mittlerweile gewendet hat. Bei der Wahl im vergangenen Jahr waren die Fünf-Sterne noch der Lega überlegen, sie haben auch mehr Sitze als der Koalitionspartner im Parlament. Mittlerweile hat die Lega die Bewegung aber in den Umfragen überholt. Bei der Europawahl im Mai holte sie mit mehr als 34 Prozent ein Rekordergebnis. Schon lange war spekuliert worden, wann Salvini die Koalition platzen lassen würde, um eine Neuwahl herbeizuführen. Salvini konnte vor allem mit einer harten Linie in der Immigrationspolitik punkten und baute ein charismatisches Image als "Mann des Volkes" auf. Von einer Neuwahl in Italien dürfte er nach Einschätzung von Beobachtern daher am meisten profitieren.

Der EU droht damit, dass Italien ein noch schwierigerer Partner werden könnte. Denn mit Salvini strebt ein Politiker in Italien nach mehr Einfluss, der wiederholt die Defizitregeln des Euro-Stabilitätspakts infrage gestellt hat. Das südeuropäische Land muss bis Mitte Oktober der EU-Kommission seinen Entwurf für das Budget 2020 vorlegen. Die Kommission, die gerade auf Sanktionen gegen Italien wegen seines Defizits verzichtet hat, will Zusagen, dass das Budget nicht gegen die Regeln verstößt. Die Verschuldung Italiens ist die zweithöchste in der Eurozone, was auch die Investoren an den Finanzmärkten alarmiert.

Ein unübliches Ende der Sommerpause

Die Populisten stellen die 65. Regierung seit Gründung der Republik und sind seit Juni 2018 im Amt. Eine Regierungskrise im August ist auch für das an wechselnde Regierungen gewöhnte Italien etwas Neues - das ganze Land ist im Urlaub oder auf dem Weg in die Ferien. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat es noch nie Wahlen im Herbst gegeben. Auch das Parlament wurde bereits in die Sommerpause verabschiedet. Für Salvini ist das kein Hindernis: "Die Ferien können keine Entschuldigung dafür sein, Zeit zu verlieren."

(APA/dpa/Reuters)

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