Beim Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Peking verspricht Amtskollege Li Keqiang, die Krise in der Sonderzone mit gesetzmäßigen Mitteln zu lösen. Beim militärischen Empfang bleibt Merkel aus Angst vor Zitterattacken sitzen.
Knapp drei Monaten dauern die regierungskritischen Demonstrationen in Hongkong nun schon an. Doch es hat den Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gebraucht, bis sich ein Mitglied des innersten chinesischen Machtzirkels zur Krise äußerte: Am Freitag sicherte Chinas Regierungschef Li Keqiang eine Lösung der schweren Krise in Hongkong mit gesetzmäßigen Mitteln zu.
Die Zentralregierung in Peking unterstütze die Hongkonger Regierung, das "Chaos" zu beenden. Das werde "im Rahmen der Gesetze" geschehen, versicherte der Premier. Peking halte an dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" fest, nach dem die chinesische Sonderverwaltungsregion autonom regiert wird, so Li. Er ging damit nicht direkt auf eine Frage nach einem möglichen militärischen Eingreifen in Hongkong ein. Allerdings wäre eine solche Intervention auch auf der gegenwärtigen Rechtsgrundlage möglich, wenn die Hongkonger Regierung nicht mehr mit den Protesten fertig werden und die Zentralregierung um Hilfe bitten sollte.
Die deutsche Kanzlerin forderte alle Beteiligten auf, von Gewalt abzusehen. Eine Lösung müsse im Dialog gefunden werden. Merkel begrüßte, dass die Hongkonger Regierung das umstrittene Gesetz für Auslieferungen nach China diese Woche komplett zurückgezogen hat. "Ich hoffe nun, dass die Demonstranten am Dialog teilnehmen können", sagte Merkel.
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Handelskrieg überschattet Gespräche
Hongkongs Regierung hatte den Rückzug des Gesetzentwurfs mit einem Gesprächsangebot an alle Teile der Gesellschaft verbunden, da die Unzufriedenheit unter den sieben Millionen Hongkonger weit über das Gesetz hinausgeht und sich auch auf wirtschaftliche, soziale und politische Probleme in der Hafenmetropole erstreckt.
Seit der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie wird Hongkong mit einem eigenen Grundgesetz autonom und in seinem eigenen Territorium unter chinesischer Souveränität regiert. Die Proteste hatten sich an dem Gesetz entzündet, doch reichen die Forderungen der Demonstranten heute bis hin zu freien Wahlen und einer Amnestie für Festgenommene. Auch am Wochenende soll es wieder Proteste geben.
Außer den Unruhen in Hongkong überschattete der Handelskrieg zwischen den USA und China den Besuch der deutschen Kanzlerin. Merkel äußerte im Gespräch mit Li Keqiang ihre Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Konflikts. Jeder merke, dass sich der Streit auch auf andere Staaten auswirke. Die Kanzlerin plädierte auch für einen baldigen Abschluss eines Investitionsschutzabkommens zwischen China und der EU.
Mehrere Wirtschaftsdeals unterzeichnet
Im Beisein von Merkel und Li wurden mehrere Firmenabkommen unterzeichnet. Dazu gehört etwa eine Vereinbarung von Airbus und AVIC Aircraft Corporation über die Montage von A320-Flugzeugen in China. Der deutsche Versicherungsriese Allianz will mit der Bank of China enger zusammenarbeiten, ein Sektor, den China liberalisieren will. Die Firmen Voith und CRRC wollen bei Elektrobussen kooperieren und Siemens schloss mit State Power Investment Corporation Limited (SPIC) eine Absichtserklärung zur Entwicklung von Gasturbinen und einer Zusammenarbeit zur Wasserstoff-Nutzung.
Li betonte mehrfach die Bereitschaft seiner Regierung, weitere Wirtschaftszweige für ausländische und deutsche Investoren zu öffnen und auf den bisherigen Joint-Venture-Zwang zu verzichten. Zudem bezeichnete er es als Missverständnis, dass ausländische Firmen sensible Unternehmensdaten an die Regierung aushändigen müssten.
Zuvor war Merkel mit militärischen Ehren empfangen worden. Bei der Zeremonie wurden Stühle bereitgestellt, so dass Merkel mit Premier Li Keqiang weitgehend sitzen konnte. Aufgrund mehrerer Zitteranfälle bei ähnlichen Gelegenheiten, wo sie länger stillstehen musste, hatte sie militärische Empfänge zuletzt wiederholt im Sitzen absolviert. Li Keqiang stand allerdings bei der chinesischen Nationalhymne auf.
Menschenrechtsbeauftragte übt Kritik
Am späten Nachmittag wird Merkel sogar von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Gespräch und anschließenden Abendessen empfangen. Kritik an Chinas Regierung kam von der Menschenrechtsbeauftragten der deutschen Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD). "In Bezug auf bürgerliche und politische Rechte hat sich die Lage in China in den letzten Jahren deutlich verschlechtert", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die Meinungsfreiheit werde weiter eingeschränkt. Auch der Umgang mit Minderheiten wie Tibetern sowie Uiguren und anderen Muslimen mache ihr große Sorgen. Kofler wies auch auf das Sozialpunktesystem hin, das gerade in China eingeführt wird. Dabei wird das durch umfassende Überwachung erfasste Verhalten aller Bürger bewertet: Für erwünschtes Verhalten gibt es Pluspunkte, für unerwünschtes Verhalten Punktabzug - zum Beispiel für das Überfahren einer roten Ampel, aber auch für regierungskritisches Handeln.
(APA/dpa/Reuters)