SPD empört über Alleingang des CSU-Agrarministers bei Glyphosat

Der deutsche Agrarminister Christian Schmidt stimmte für Glyphosat
Der deutsche Agrarminister Christian Schmidt stimmte für Glyphosat AFP (JORG CARSTENSEN)
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Hat Angela Merkel alle ihre Leute im Griff? Diese Frage stellt sich die SPD nach dem Ja des deutschen Agrarministers in der Glyphosat-Frage und sieht die Koalitionsgespräche gefährdet.

Die SPD reagiert empört auf das überraschende Ja des deutschen Agrarministers Christian Schmidt (CSU) zu einer weiteren Zulassung des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat in der EU. Schmidts Votum sei ein "glatter Vertrauensbruch" und widerspreche auch der Geschäftsordnung der Bundesregierung, sagte Vize-Chef Ralf Stegner am Montag in den ARD-"Tagesthemen".

Er sprach von einem "ordentlichen Schlag ins Kontor". Da die SPD vorher klar Nein zu einer weiteren Zulassung gesagt habe, hätte Schmidt sich in dem EU-Gremium enthalten müssen.

Die SPD frage sich, ob die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) davon gewusst habe, sagte Stegner. Der Vertrauensbruch diene nicht den laufenden Gesprächen, die jetzt auf Wunsch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zwischen den Parteien geführt werden, um eine Regierungsbildung zu ermöglichen. An diesem Donnerstag treffen sich die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD auf Einladung des deutschen Staatsoberhaupts im Berliner Schloss Bellevue. Bereits Dienstag früh empfängt Steinmeier die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles.

Nahles spricht von "schwerem Vertrauensbruch"

Schmidt hatte sein Ja zu einer weiteren Zulassung des Unkrautgifts für fünf Jahre mit "wichtigen Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen- und Tierwelt" gerechtfertigt. Die SPD lehnt eine Zulassung des Gifts dagegen ab, unter anderem wegen möglicher Krebsrisiken. Nahles hatte ebenfalls von einem "schweren Vertrauensbruch" in der geschäftsführenden deutschen Regierung gesprochen. Sie frage sich, ob die Kanzlerin ihre Leute noch im Griff habe.

Grüne und FDP fordern nun Aufklärung und fordern Konsequenzen. Falls Schmidt im Alleingang gehandelt habe, müsse die Kanzlerin ihn entlassen, meinen die Grünen. Die FDP sah am Montag gar die Koalitionsfähigkeit der Union in Frage gestellt.

Schmidt selbst sagte auf Fragen, inwiefern Merkel einbezogen war: "Der Fachminister, der federführend in dieser Frage ist, muss im Laufe von Beratungen in Brüssel in der Lage sein, an der Sache orientierte Entscheidungen zu treffen." Merkel hatte zuvor aber grundsätzlich befürwortet, den Wirkstoff weiter anzuwenden. Ob Merkel informiert war, blieb damit zunächst offen.

Kein Automatismus für Koalition

In der Debatte über eine Neuauflage der Großen Koalition pochten SPD-Politiker weiter darauf, dass die Großpartei autonom entscheide. Ex-SPD-Chef Kurt Beck warnte vor allzu großer Eile bei einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition. "Man muss versuchen, eine Vertrauensbasis herzustellen", sagte der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident der dpa in Koblenz mit Bezug auf die Union. "Da muss man sich rantasten."

Es gebe "keinen Automatismus" für eine Koalition, sagte auch der nordrhein-westfälische Landeschef Michael Groschek der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag-Ausgabe). "Wir ziehen keine Stacheldrahtzäune und lassen uns erst recht keine Bedingungen von der gescheiterten Jamaika-Union diktieren." Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Es ist noch alles offen: Von Großer Koalition über Minderheitsregierung bis hin zur Neuwahl, wenn alles schief geht."

(APA/dpa)

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