Der SPÖ-Antrag für einen U-Ausschuss wurde mit ÖVP/FPÖ-Mehrheit zurückgewiesen. Die Sozialdemokraten wollen jetzt den Verfassungsgerichtshof anrufen.
Die SPÖ hat sich mit ihrem Antrag für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats eine Abfuhr geholt. Mit schwarz-blauer Mehrheit wurde der Antrag zurückgewiesen, sagte ein Sprecher der Parlamentsdirektion Donnerstagabend. Die SPÖ will sich nun an den Verfassungsgerichtshof wenden. Klubobmann Andreas Schieder gibt dazu um 10 Uhr eine Stellungnahme ab.
Abgelehnt wurde das allein von der SPÖ eingebrachte Begehren mit der Begründung, dass der Untersuchungsgegenstand zwar zeitlich, aber nicht inhaltlich entsprechend abgegrenzt wurde.
Der Geschäftsordnungsausschuss wertete das SPÖ-Verlangen mit Koalitionsstimmen als "gänzlich unzulässig". Grundlage dafür war ein Gutachten des Rechts- und Legislativdienstes des Parlaments, das auf Ersuchen von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erstellt wurde.
Schieder: "Lassen uns nicht mundtot machen"
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder zeigte sich darüber erbost und kündigte die Anrufung des VfGH an. "Schwarz-Blau wehrt sich gegen Aufklärung", sagte er: "Das war heute ein schwarzer Tag für den Parlamentarismus. Es ist drübergefahren worden mit Geschäftsordnungstricks, auf Basis eines dünnen, nichtssagenden Gutachtens." Dahinter stehe Ex-Innenminister und damit auch BVT-Verantwortlicher Sobotka, "der heute seine Macht als Nationalratspräsident genutzt hat, damit kein Licht in die Sache kommt".
In dem angesprochenen Papier wird darauf verwiesen, dass laut Verfassung der Gegenstand der Untersuchung nur ein "bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes" sein kann. "Das Verlangen in der vorliegenden Fassung beschreibt den Untersuchungsgegenstand in sehr allgemeiner Weise, sodass davon ausgegangen werden muss, dass im Zuge der Einsetzung und Tätigkeit des Untersuchungsausschusses Konflikte über Zulässigkeit und Umfang des Gegenstandes und der daraus in Folge erwachsenden Verpflichtungen entstehen", so die Einschätzung der Parlamentsjuristen.
Am Anfang der BVT-Affäre stand ein anonymes Dossier über die Zustände im BVT von 2017. Im Zentrum: Michael Kloibmüller, ehemaliger Kabinettschef von Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka und Leiter der Präsidialsektion. Nach Aufkommen der Affäre gab Kloibmüller bekannt, seine Funktion als Präsidialchef zurücklegen und in die Privatwirtschaft wechseln zu wollen. Laut Justizministerium laufen derzeit Ermittlungen gegen Kloibmüller - er wird als Verdächtigter, nicht als Beschuldigter geführt. Die Presse
Dem Wiener Rechtsanwalt Gabriel Lansky war Spionage vorgeworfen worden. Lansky vertrat die angeblichen Opfer des früheren kasachischen Botschafters, Rachat Alijew. Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass er in Wahrheit mit dem kasachischen Geheimdienst zusammen arbeitete. Der Vorwurf der Spionage erwies sich nach Ermittlungen durch das BVT als nicht haltbar, doch der Verfassungsschutz – und da konkret BVT-Chef Peter Gridling – soll die Daten der Überwachung Lanskys nicht, wie gesetzlich vorgesehen, gelöscht haben. Damit steht der Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Raum. APA/HELMUT FOHRINGER
Am 13. März erhielt BVT-Chef Peter Gridling seine Wiederbestallungsurkunde, die seit rund drei Wochen im Innenministerium zurückgehalten wurde, ausgehändigt und wurde gleichzeitig vom Dienst suspendiert. Der Grund: Die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft führt den ehemaligen Gendarm, Staatspolizisten und Terrorismusbekämpfer als Beschuldigten. Innenminsiter Herbert Kickl bezeichnete die Suspendierung als "unausweichlich", da Gridling das Ansehen des Amtes schädige. Bis auf Weiteres wird das BVT von Dominik Fasching geleitet, dem Chef der Abteilung für strategische Analyse. Übrigens: Die Funktion des Vize-Direktors ist seit Dezember 2017 vakant. Bis dahin übte sie Wolfgang Zöhrer aus, der in die Sicherheitsakademie gewechselt ist. Die Presse
Bei FPÖ-Innenminister Herbert Kickl liegt die politische Verantwortung für die Vorgänge beim Inlandsnachrichtendiens. Kritiker werfen ihm vor, nur nach einem Vorwand für die Ablöse Gridlings gesucht zu haben, um das BVT von Schwarz auf Blau umzufärben und etwaige Ermittlungen gegen FPÖ-nahe Rechtsextreme oder Burschenschafter besser unter Kontrolle zu haben. Kickl selbst wies diese Vorwürfe mehrfach - unter anderem in einer von der Opposition angestrengten Sondersitzung des Nationalrates - zurück. Die Liste Pilz hat gegen den Ressortchef dennoch eine Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs eingebracht. APA/HANS PUNZ
Der Kabinettsmitarbeiter von Innenminister Kickl begleitete zwei Zeugen zu ihrer Aussage bei der Staatsanwaltschaft als "Vertrauensperson". Der Jurist, der als (langfristiger) Nachfolger Gridlings gehandelt wird, ist Beamter des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Zudem gehört er Kickls Kabinett als Fachreferent an. (Bild: Ex-Innenminister Ernst Strasser mit Udo Lett und Anita Traxler) (c) APA (ARTINGER Guenter)
Peter Goldgruber ist als Generalsekretär im Innenministerium die rechte Hand von Kickl. Der langjährige FPÖ-nahe Exekutivbeamte soll die jüngsten Hausdurchsuchungen bei verschiedenen BVT-Beamten mit einer Anzeige gegen Gridling und andere BVT-Mitarbeiter ins Rollen gebracht haben Im Ministerium weist man eine Anzeige zurück, man habe lediglich einen "Konnex" zur Staatsanwaltschaft hergestellt. Goldgruber selbst nannte Medienberichte zur Hausdurchsuchung im Inlandsgeheimdienst "Fake News". Auch, dass sich das Innenministerium "durch eine von einem FPÖ-Mitglied geführte Einheit Zugang zu Rechtsextremismus-Daten" verschaffen habe wolle, wies er als "konstruierte Geschichte" zurück. Die Presse
Der Leiter der Wiener Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) hatte am 28. Februar die Hausdurchsuchungen in der Zentrale des BVT in Wien-Landstraße sowie bei mehreren BVT-Mitarbeitern in einer Art Geheimoperation angeführt. Politisch pikant ist dies, weil Preiszler auch als blauer Gewerkschafter und FPÖ-Gemeinderat im niederösterreichischen Guntramsdorf tätig ist und bei der Aktion auch Unterlagen des Extremismus-Referats beschlagnahmt worden sein sollen, das sich unter anderem mit FPÖ-nahen Milieus wie Neonazis, Rechtsextremen, Identitären oder Burschenschaftern beschäftigt. Das Extremismus-Referat hat mit den ursprünglichen Anschuldigungen gegen diverse BVT-Mitarbeiter aber nichts zu tun. (c) Presse, Harald Hofmeister
Der Generalsekretär und Leiter der Strafrechtssektion des Justizministeriums kontrolliert als verlängerter Arm des Justizministers die verschiedenen Staatsanwaltschaften und Oberstaatsanwaltschaften sowie die WKStA. Kritiker - allen voran die Opposition - bewerten es als unüblich, dass das Ministerium und Christian Pilnacek über die Hausdurchsuchungen erst nachträglich informiert wurden. Pilnacek meint, dass die Staatsanwaltschaft seit 2016 einzelne Ermittlungsschritte nicht mehr im Vorhinein genehmigen lassen müsse. Dass auch Unterlagen über Extremismus-Ermittlungen des Verfassungsschutzes beschlagnahmt wurden, dementierte Pilnacek zuerst, später sprach er von "weiteren Sicherstellungen". (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Der von der ÖVP nominierte Justizminister Josef Moser trägt die politische Verantwortung für die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft. Der frühere Rechnungshofpräsident (damals noch FPÖ) beauftragte die WKStA mit einem Bericht über die Causa BVT. Demnach gibt es fünf Beschuldigte, namentlich genannt wird nur Gridling. Es gehe vor allem um den Vorwurf unterlassener Datenlöschung, so Moser. Die Hausdurchsuchungen seien wegen einer befürchteten Fernlöschung erfolgt. Mehr wollte Moser zur Affäre bislang nicht sagen - und zog sich deshalb - Kritik seitens der SPÖ und der Neos zu. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Der Ex-BVT-Chef, der 2008 von Gridling abgelöst wurde und im Wahlkampf 2017 mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auftrat, sparte zuletzt nicht mit Kritik an der Behörde. Doch auch um ihn ranken sich Gerüchte - konkret soll er in dubiose Geschäfte im Irak (Handel mit Rüstungs-, Wehrmaterial, Waffen) verwickelt sein. Konkret: Pollis Ex-Frau hat 2013 in Wien eine Firma mit dem Namen Karabeyoglu Enterprise gegründet, die im Jänner 2018 aufgelöst wurde. In einer Urkunde vom 26. Juli 2016 findet sich Polli als Bevollmächtigter. Die Firma hatte einen gleichnamigen Ableger in Bagdad. Zu den Produkten zählen laut Homepage auch Erdöl und Produkte zur Verteidigung. Zur "Presse" meinte Polli, er wisse nichts über die Tätigkeiten der Firma. Pikant: Schon in Pollis Zeit als BVT-Chef soll er fragliche Lieferungen von Handfeuerwaffen an den Iran befürwortet haben. Nach seinem Abgang wurde er Sicherheitschef bei Siemens, wo seine Karriere wegen vorgeworfener dubioser Kontakte in den Nahen Osten unrühmlich endete. Polli selbst sprach mehrmals von einer politischen Intrige. APA
Wer ist in die BVT-Affäre involviert?
Schieder lässt das nicht gelten. "Man sieht, das ist ein vorgeschobenes Argument. Wir werden uns sicher nicht mit juristischen Spitzfindigkeiten und Tricks mundtot machen lassen." Man wolle nun alle rechtlichen Möglichkeiten ausnützen und daher den VfGH anrufen, was innerhalb von zwei Wochen geschehen muss und der innerhalb von vier Wochen zu entscheiden hat. Ob die SPÖ einen neuen Antrag einbringen wird, falls sie beim Höchstgericht kein Gehör findet, ließ Schieder offen. Für Freitag kündigte er eine Pressekonferenz in der Causa an.
Einen Gang der SPÖ zum VfGH würde er begrüßen, sagte Walter Rosenkranz, Klubobmann der FPÖ, "dann bekommen wir eine Handlungsanleitung, was geht und was nicht".
Wöginger: SPÖ kann sich Gang vor Verfassungsgericht sparen
ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat Donnerstagabend in Abrede gestellt, dass seine Fraktion die Aufklärung in der Causa verhindern will. "Der U-Ausschuss zum BVT soll kommen", betonte er, "aber die SPÖ muss ein verfassungskonformes Verlangen stellen."
Bei dem heutigen Antrag sei das nicht der Fall gewesen, das habe der unabhängige Legislativdienst des Parlaments festgestellt. Der Gang zum Verfassungsgerichtshof sei nun eine Möglichkeit. Aber: "Das könnte sich die SPÖ ersparen, sie braucht nur einen verfassungskonformen Antrag einbringen. Dann kann man das im April bei den Plenartagen über die Bühne bringen."
Von einem brüsken Abschmettern könne jedenfalls keine Rede sei, auch habe man die SPÖ nicht überrascht oder auflaufen lassen. Die Sozialdemokraten hätten weiterhin alle Möglichkeiten. Er sei auch Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses, so Wöginger, und er sei bereit, ganz rasch eine weitere Sitzung einzuberufen.
Kickl zweifelte an Sinnhaftigkeit
Beim ÖVP-Regierungspartner FPÖ hatte man am Donnerstag eine gewisse Ablehnung des U-Ausschusses zum BVT heraushören können - bei Innenminister Herbert Kickl nämlich, der freilich in den letzten Tagen zentrale Figur in den Geschehnissen rund um das im Innenministerium angesiedelte Bundesamt gewesen war. Bei einer Pressekonferenz stellte er die Sinnhaftigkeit eines U-Ausschusses zur Causa infrage, denn: Die Staatsanwaltschaft würde sich ohnehin mit dem Sachverhalt beschäftigen.
Einstimmig beschlossen wurde hingegen ein weiterer U-Ausschuss zur Causa Eurofighter, wobei sich der Untersuchungszeitraum statt bis 2016 nun bis ins Jahr 2017 erstreckt. Der U-Ausschuss kann somit mit der nächsten Nationalratssitzung starten.
Neos-Chef: Ausschuss kommt sicher
Neos-Klubobmann Matthias Strolz hat sich am Donnerstagabend überzeugt gezeigt, dass der "Untersuchungsausschuss zum Bundesministerium für Inneres" kommen wird. "Das ist nur eine Frage der Zeit", meinte er in einer Aussendung. ÖVP und FPÖ würden diese Aufklärung nur verzögern, aber nicht blockieren können. "Eine inhaltliche Präzisierung des Untersuchungsgegenstandes macht Sinn, und gerne bieten wir hierzu unsere Mitarbeit an. Unser Vorschlag lautet, dass die SPÖ das aktuell vorliegende Verlangen zurückzieht und wir gemeinsam an einer Präzisierung arbeiten", bot Strolz an. "Es braucht eine starke Allianz gegen schwarz-blaue Vernebelung."
Auf einen Blick
Die Durchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung fand Ende Februar statt. Auf Antrag der Korruptionsstaatsanwaltschaft erfolgte (mit richterlicher Genehmigung) die Beschlagnahmung zahlreicher Daten. Die SPÖ argwöhnt, dass die Konfiszierungen über den Ermittlungsinhalt hinausgingen.
Peter Gridling war im März durch FPÖ-Innenminister Herbert Kickl suspendiert worden. Die Suspendierung wurde nun vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben. Gridling ist somit wieder Leiter des BVT.
Eine Liste der BVT-Mitarbeitet landete im Ermittlungsakt – Nordkorea, gegen das ermittelt wurde, könnte als Geschädigter Akteneinsicht bekommen. Kickls Kabinett vermittelt weiterhin Zeugen an die Justiz - deren Seriosität in Frage gestellt werden kann.
Die Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung wurde mit den Aussagen von vier "Geheimzeugen" argumentiert. Was sie zu Protokoll gegeben haben, liegt der "Presse" exklusiv vor. Beweise finden sich in den Vernehmungen nicht - dafür viele Emotionen.
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