Mindestsicherung: Regierung teilt erneut gegen Wien aus

Die Wiener Stadtregierung und die Bundesregierung liefern sich einen Schlagabtausch.
Die Wiener Stadtregierung und die Bundesregierung liefern sich einen Schlagabtausch. Clemens Fabry, Presse
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Wien will die Sozialgeldpläne von ÖVP und FPÖ nicht umsetzen und attackiert Kanzler Kurz scharf. Vizekanzler Strache hält dagegen und unterstellt der Bundeshauptstadt, ein "Förderprogramm für tschetschenische Großfamilien" zu betreiben.

Die Fehde zwischen der Bundesregierung und der Stadt Wien aufgrund der türkis-blauen Pläne zur Reform der Mindestsicherung geht in die nächste Runde. Nachdem die Bundeshauptstadt am Donnerstag angekündigt hat, man wolle das Vorhaben in dieser Art nicht umsetzen und den Gang vor Gericht erwäge und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dies scharf kritisiert hatte, teilte nun Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) aus: Er warf der Stadtregierung ein "Förderprogramm für tschetschenische Großfamilien" vor, immerhin hätten 70 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Wien Migrationshintergrund.

Die Wiener Stadtregierung stelle sich hin und sage: "Gesetze interessieren uns nicht, wie werden das verweigern, wir stellen uns außerhalb des Verfassungsbogens", führte Strache weiter aus. Wer ein solches Verständnis habe, sollte zurücktreten, meinte er in Richtung Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Auch Kanzler Kurz, der am Donnerstag gemeint hatte, in Wien würden in vielen Familien in der Früh nur mehr die Kinder aufstehen, weil die Eltern nicht arbeiten gehen, legte nach. In Wien gebe es 13 Prozent Arbeitslose und 15.000 Obdachlose und jeder zweite Mindestsicherungsbezieher sei ein Ausländer, rechnete er vor. Außerdem wachse die Zahl der Sozialgeldbezieher massiv: "Mein Bild von einem erfolgreichen Österreich schaut anders aus. Wien hängt im Vergleich mit den anderen Ländern deutlich hinterher. Wir helfen der Stadt Wien, die Trendwende zu schaffen." Es dürfe nicht sein, "dass der Arbeitende schlechter aussteigt; das ist Gift für unsere Gesellschaft".

SPÖ-Landesparteisekretärin: Kurz schlägt "wild um sich"

Diese Schelte wiederum veranlasste Wiens SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak zu einer Wortmeldung. Kurz setze seine "letztklassigen Angriffe" gegen die Wiener fort, konstatierte sie. "Die Sozialdemokratie stellt sich nachdrücklich hinter die Wiener Bevölkerung. Wir werden es nicht zulassen, dass der österreichische Bundeskanzler die österreichische Bundeshauptstadt permanent schlecht redet", versprach die Parteimanagerin. Kurz agiere nicht wie ein Staatsmann, er schlage vielmehr "wild um sich" und wolle damit von den "vielen Unzulänglichkeiten" in seiner eigenen Partei ablenken - wobei der "BVT-Skandal" oder das "Caritas-Bashing" ins Treffen geführt wurden.

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) zeigte sich unterdessen erstaunt über die Rechnungen von Kurz und Strache. Seiner Meinung nach würden die Zahlen ein komplett anderes Bild zeichnen. "Mit Dezember 2018 verzeichnete Wien mit rund 844.000 Beschäftigten einen Dezember-Höchstwert in der Zweiten Republik. Die Arbeitslosigkeit in Wien sinkt seit zwei Jahren durchgehend und ist in allen Bereichen unter die Werte von 2015 gefallen", meinte Hanke. Dies seien gute Nachrichten und das, obwohl die Bundesregierung "in der Arbeitsmarktpolitik jeden Tag Steine in den Weg legt".

"Auch bei den Wiener Finanzen wird sich Wien durch die Bundesregierung nicht aus der Ruhe bringen lassen", beteuerte der SPÖ-Politiker: "Wir verfolgen konsequent das Ziel, 2020 eine schwarze Null zu schreiben. Darüber hinaus verzeichnet Wien lediglich einen Pro-Kopf-Schuldenstand von 3862 Euro. Damit liegt Wien genau im Mittelfeld aller Bundesländer." Die Schulden des Bundes würden hingegen 86,93 Prozent der gesamten öffentlichen Schulden der Republik ausmachen.

Neuer Hastag #WienStehtAuf

Unterdessen entwickelte sich - nach der Aussage des Kanzlers zu spät aufstehenden Wienern - der Hashtag "#WienStehtAuf" auf den diversen Social-Media-Kanalen zum absoluten Renner. Auf Twitter führte er am Freitag sogar die heimische Trend-Hitliste an. Zahlreiche Menschen teilten dem Kanzler mit, bereits früh ihr Tagwerk begonnen zu haben. Geteilt wurden aber auch wissenschaftliche Daten zum Alltag von Arbeitslosen. Die Stadt selbst beteiligte sich ebenfalls - etwa in dem sie Frühaufsteher wie Mitarbeiter der MA 48 porträtierte. Sogar Sozialstadtrat Hacker fügte den Tag an seine Facebook-Postings an.

(Red./APA)

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