U-Ausschuss: Tierschützer Balluch ortet ÖVP-Einflussnahme auf BVT

BVT-U-AUSSCHUSS: BALLUCH
BVT-U-AUSSCHUSS: BALLUCHAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der U-Ausschuss zur Causa um den Verfassungsschutz setzt sich mit der Tierschützer-Affäre auseinander. VGT-Obmann Balluch und Kampagnenchef Moser kritisieren tendenziöse Ermittlungen.

Der Untersuchungsausschuss zur Causa um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) rollt seit heute, Mittwoch, die Tierschützer-Affäre neu auf. Geladen waren am Mittwoch Martin Balluch, Obmann des Vereins Gegen Tierversuche (VGT), ein Tiroler VGT-Aktivist sowie ein Anwalt der Tierschützer.

Hintergrund der Befragung: die Frage, ob die Affäre um die Tierrechtsaktivisten tatsächlich durch politische Interventionen entstand. Mit mutmaßlichen ÖVP-Netzwerken innerhalb des Innenministeriums, das bis zur Amtsübernahme durch Herbert Kickl (FPÖ) jahrelang von Ministern der Volkspartei geführt wurde, beschäftigte sich der U-Ausschuss bereits in den Sitzungen davor.

>> Was die Tierschützer mit dem BVT zu tun haben

Bereits im Vorfeld seiner Befragung hielt Balluch, der - wie alle anderen in einem umstrittenen Prozess in Wiener Neustadt angeklagten Tierschützer (siehe Chronologie) - freigesprochen wurde, fest, dass er der Überzeugung sei, dass die Affäre durch politische Absichten entstanden sei. Die Verschärfung des Tierschutzgesetzes sei im Hintergrund gestanden, meinte Balluch. Er hoffte auf "späte Gerechtigkeit" und die Aufdeckung der Hintermänner des damaligen Vorgehens.

Balluch sieht Einfluss des CV

Balluch vermutet ein ÖVP-nahes Netzwerk hinter den Ermittlungen gegen die Vereinsmitglieder, die in eine Anklage gemündet hatten, letztlich aber Freisprüche brachten. Der Gegenwind sei ab 2005 stark geworden, als man das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz durchgesetzt habe und verstärkt auf eine Kampagne gegen Legebatterien gesetzt habe. Sein Vater, selbst im Cartellverband (CV), habe ihn damals gewarnt, dass der CV zusammenstehen werde.

So ist für Balluch auch kein Zufall, dass die Causa einem an sich unzuständigen Staatsanwalt in Wiener Neustadt zugewiesen wurde, der auch CV-Mitglied ist. Von dem Mann, der als Gruppenleiter der zuständigen Staatsanwältin auch im Zusammenhang mit der BVT-Razzia in Erscheinung getreten war, fühlt sich der VGT-Obmann ohnehin verfolgt. Er warf ihm unwahre und propagandistische Behauptungen vor.

Auch Alt-Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) sieht Balluch in die ganze Angelegenheit involviert. Dieser habe angeregt, dem Verein die Gemeinnützigkeit zu entziehen, was letztlich nur von den Beamten verhindert worden sei.

"So läuft das in Russland"

Besonders ins Visier nimmt der Tierschützer Staatsanwaltschaft und Exekutive. Von den Ermittlungen gegen sich hat Balluch eigenem Bekunden nach erst erfahren, als seine Tür eingeschlagen worden sei und ihm von Maskierten eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. Ein weiterer Vorwurf - Datenbanken und Buchhaltung des VGT seien ohne Grund beschlagnahmt worden: "So läuft das in Russland."

Dabei er geht davon aus, dass von der ÖVP eingewirkt wurde. Es habe ihm ja auch ein Lokalpolitiker der Volkspartei einmal bei einer öffentlichen Veranstaltung ins Gesicht geschlagen. Zudem geht aus Akten hervor, dass der Chef der vom VGT besonders bekämpften Modekette Kleider Bauer direkt beim damaligen Innenminister Günther Platter (ÖVP) zu intervenieren versucht habe.

So habe dann auch der zuständige Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Erik Buxbaum eine Sonderkommission angeregt. Dabei seien sogar Mitarbeiter der Mordkommission abgezogen worden, ärgerte sich Balluch. Überdies habe man bei jeder Demonstration des VGT schwer bewaffnete Beamte aus Sonderheiten abgestellt, um eine besondere Gefährlichkeit der Tierschützer zu suggerieren.

Die ÖVP versuchte bei Balluchs Befragung dann auch die Gewaltbereitschaft des VGT dazustellen. Einig wurde man da mit der Auskunftsperson nicht. Der wollte bei diversen Vorfällen keine Straftaten sehen, sondern legitimen Aktivismus.

Sojamilchflasche aus der Kindergartentasche beschlagnahmt

Auch der zweite am Mittwoch geladene Tierrechtsaktivist übte scharfe Kritik am Vorgehen der Behörden. Im Akt sei nur Belastendes gelandet, beklagte Christian Moser, Kampagnenchef des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT) in Tirol. Er schilderte die Ermittlungen als tendenziös bis hin zur "Lächerlichkeit". So erzählte Moser, dass die Polizei bei der Hausdurchsuchung im Mai 2008 seine Sojamilchflasche aus der Kindergartentasche seines Sohnes beschlagnahmt hat, weil man das für einen chemischen Kampfstoff gehalten habe. Aufgeklärt worden sei das erst vor Gericht: "Im Prozess hat die Chemikerin dann bestätigt - das war drei Jahre später - ja, das war Sojamilch."

Im Prozess wurde Moser wie alle anderen Aktivsten freigesprochen. Wie VGT-Obmann Martin Balluch geht auch er von einem politischen Hintergrund der Ermittlungen aus: "Wir haben irgendwelchen mächtigen Leuten ans Bein gepisst und das ist die Retourkutsche." Wirklich abgeschlossen habe er mit der Causa noch nicht: "Ich geh immer noch durch die gleiche Türe raus, wo acht Bewaffnete reingestürmt sind."

Beteiligt war Moser an Aktionen auch außerhalb Tirols. So habe man bei der Kampagne für ein einheitliches Tierschutzgesetz die ÖVP-Zentrale besetzt. Moser glaubt allerdings, dass er auch wegen seines auffälligen Äußeren in die Ziehung gekommen ist. Er sei eben tätowiert und trete für eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" ein. Einem konservativen Menschen wie den fallführenden Staatsanwalt Wolfgang Handler sei so etwas wohl suspekt, dieser sei ihm wie auf einem Kreuzzug vorgekommen. "Viele Leute funktionieren schon sehr schubladisierend: der ist tätowiert, der hat lange Dreads, der passt uns genau rein in das Bild vom radikalen Aktivisten", meinte Moser.

Die ÖVP bemühte sich dann auch, genau diesen Eindruck herzustellen. Der Abgeordnete Nikolaus Prinz hielt Moser einen Flugzettel vor, auf dem ein Jäger im Fadenkreuz unter der Aufschrift "Jäger töten" abgebildet war. Dass das eine Aufforderung zum Mord an Jägern war, wies Moser (unterstützt von Verfahrensrichter Eduard Strauss) als Unterstellung zurück. Vielmehr sei es um künstlerische Provokation gegangen - und um eine Antwort auf die Frage, was Jäger tun.

Tatsächlich seien es die Tierschützer gewesen, die bei Kundgebungen von bezahlten Schlägern verprügelt worden seien, sagte Moser. Dass man mit den Kundgebungen ausgerechnet gegen Kleider Bauer vorgegangen sei, begründete er damit, dass die Firma Filialen in ganz Österreich habe und mit Leichtigkeit auf den Verkauf von Pelz verzichten könnte.

(APA/Red.)

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