Straches verhängnisvoller Sommerabend auf Ibiza

Screenshot/SZ
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Auf einem heimlich aufgenommenen Video redet FP-Parteichef Heinz-Christian Strache offen darüber, welche Leistungen er einer vermeintlichen russischen Oligarchin als Gegenleistung für Unterstützung zukommen lassen würde.

Es wirkt wie eine Szene aus der Reality-Show „Big Brother“: Ein paar Menschen sitzen um einen Tisch herum, sie schenken sich Getränke in ihre Gläser ein, laben sich an Thunfischtatar und Sushi, rauchen und plaudern miteinander – aufgenommen von einer Kamera, die irgendwo im Eck des Zimmers montiert sein muss.

Nur dass die Menschen, die hier sechs Stunden lang zu sehen sind, nicht für ein Unterhaltungsformat des Privatfernsehens rekrutiert wurden. Auf einer Sitzgarnitur in einer weißen Villa wenige Kilometer von Ibiza-Stadt, der Inselhauptstadt der balearischen Party-Insel und seit Jahren Feriendestination des FPÖ-Chefs, haben es sich vier Personen bequem gemacht: Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus, seine Frau und eine weitere Person, genannt Aljona Makarowa, die aber nie erkennbar zu sehen ist. Was hier zwischen Alkohol und Aschenbechern diskutiert wird, hat das Potenzial, das österreichische politische System zu erschüttern.
Die Videoaufnahmen enthüllen ein Sittenbild der FPÖ-Spitzenpolitiker, die keine drei Monate vor der Nationalratswahl 2017 vor der angeblichen russisch-lettischen Nichte eines Oligarchen darüber fabulieren, wie sie die Republik nach der Machtübernahme aufteilen werden – wie das fünf Monate nach dem ominösen 24. Juli tatsächlich Realität werden sollte. Johann Gudenus, von Strache liebevoll Joschi genannt, der in Moskau studiert hatte, Russisch spricht und als Dolmetscher fungiert, hat die Frau zuvor in Wien kennengelernt – als Interessentin für Immobilien und einen Jagdgrund. Nun zeigt sie Interesse an Investitionen in Österreich, insbesondere an der „Kronen Zeitung“. Und sie könnte sich vorstellen, eine Viertelmilliarde Euro lockerzumachen.

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Strache kommt beim Thema Krone richtig in Fahrt. Es sei ein Spiel mit den „zehn mächtigsten Leuten Österreichs“, macht er ihr klar. Mit Zigarette in der Hand schwadroniert er darüber, dass die FPÖ mit der Unterstützung des größten Boulevardblatts von 27 auf 34 Prozent hinaufschießen und Platz eins bei der Wahl erreichen könnte. „Zack, zack, zack“, sagt er. „Drei, vier Leute müssen gepusht werden, drei, vier Leute müssen abserviert werden. Und wir holen noch fünf neue rein, die wir aufbauen.“
Ob das alles so einfach vonstatten geht? Strache räumt allfällige Bedenken beiseite: „Journalisten sind sowieso die größten Huren auf dem Planeten.“ Überhaupt mokiert er sich über „Schneebrunzer“. Strache redet sich in einen wahren Machtrausch hinein, angetrieben von Red Bull und Wodka. Er wisse um kompromittierende Fotos von zwei – womöglich früheren – Spitzenpolitikern in SPÖ und ÖVP. Dann würde ein „atomarer Krieg“ ausbrechen. Bei „Roten und Schwarzen“, sagt er, wäre „der Teufel los“.

Kontakte zu Milliardären

Für die Neuaufstellung der „Krone“ hat er bereits den richtigen Mann an der Hand: Heinrich Pecina, der für Viktor Orbán die ungarische Medienlandschaft neu ausgerichtet hat. Das würde sich auch fügen in eine Neuorientierung der Außenpolitik, in die Annäherung an die Viségrad-Gruppe (Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen), wie dies der FPÖ vorschwebt. Das sagt er in dem Gespräch ganz offen.

Ohnehin stehe Heinz-Christian Strache in Kontakt mit einigen der reichsten Österreicher: Die Milliardäre Gaston Glock, Heidi Horten, René Benko hätten Spenden von bis zu zwei Millionen Euro in Aussicht gestellt. Auch der Glücksspielkonzern Novomatic zähle zu den Förderern der FPÖ. Gudenus wirft sich in Pose, gibt den Revolverhelden, um der Russin den Waffenproduzenten Glock anschaulich vor Augen zu führen, der in der Welt einen großen Klang hat. Joschi, so Strache, solle Aljona klarmachen, dass hinter der FPÖ Investoren stünden, die „nicht wollen, dass Österreich islamisiert wird, dass ihre Kinder und Enkelkinder verrecken“.Allesamt dementierten die Sponsoren indessen Spenden an die FPÖ.

Mit einigen Milliardären steht Strache tatsächlich auf gutem Fuß, mit einigen sogar auf Du und Du: Mit Martin Schlaff habe er eine „gute Gesprächsbasis“, mit Benko habe er sich auf der Jacht Roma in Ibiza getroffen. Und auch Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz sei er freundschaftlich verbunden. Mateschitz sei „lieb“, verstehe aber das Mediengeschäft nicht, urteilt Strache. Er selbst nennt sich „Red Bull Brother from Austria“.

Machtmonopol über die „Krone“

Die Medien haben es ihm angetan. Er würde den ORF auf neue Beine stellen. Doch erst einmal müsse die Partei die Kontrolle über die mächtigste Zeitung des Landes erlangen. Wer die „Krone“ besitzt, so der FPÖ-Chef, verfüge nicht nur über die Meinungshoheit, sondern auch über das „Machtmonopol, sich in anderen Geschäftsfeldern zu engagieren. Bei einem Wahlsieg, brüstet sich Strache, könne man „über alles reden“. Besonders im Visier Straches: die Strabag und ihr Eigentümer, Hans Peter Haselsteiner, der seit Jahrzehnten die Liberalen sponsert – erst das Liberale Forum, nun die Neos. „Das Erste, was ich bei einer Regierungsbeteiligung zusichern kann: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr.“ Er schlägt vor, Makarowa könne eine eigene Firma gründen, mit der Aussicht auf profitable Infrastrukturprojekte. Er winkt auch mit dem „weißen Gold“, mit Österreichs Wasserressourcen.

Es ist Punkt 18 Uhr, als am Freitag „Der Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ mit ihren Geschichten online gehen, mit Ausschnitten aus dem Video, in dem das etwa sechsstündige Treffen dokumentiert ist. Es war offensichtlich eine Falle, die den beiden freiheitlichen Politikern gestellt wurde. Eine Möglichkeit, die Strache offenbar auch im Hinterkopf hatte. So klagte er im Video, dass seine Partei ständig auf der Hut sein müsse: „Wir wissen, dass wir 24 Stunden beobachtet werden, dass man uns bei jeder Kleinigkeit vernichten will.“ Und auch beim Treffen in der Villa in Ibiza tauchten gegen Ende Zeichen des Misstrauens auf – Aljonas schmutzige Zehennägel. „Falle, Falle, eine eingefädelte Falle“, flüstert er seinem Kompagnon Gudenus zu, der die Zweifel zerstreut.

Hinein ins Partyleben

Weit nach Mitternacht wollen sich die Gäste noch ins Nachtleben stürzen. Es soll ins „Hi Ibiza“ gehen, nach Playa d'en Mossa. Der FPÖ-Chef rät dem Partner Makarowas, das „Gscheite und Richtige“ zu tun und die „Krone“ zu kaufen. Seinem Vertrauten Gudenus sagt er: „Joschi, mach' das jetzt klar.“

Noch ist vieles mysteriös, nicht zuletzt die Frage, wer den FPÖ-Politikern die Falle gestellt hat, die sie Kopf und Kragen kosten könnte. Die Quelle, heißt es im „Spiegel“, ist den Redaktionen bekannt, doch bestehe sie darauf, anonym zu bleiben. Auch seien die Bild- und Tondokumente forensisch geprüft worden – und es habe keine Hinweise auf eine Manipulation gegeben. Auch dem Satiriker Jan Böhmermann war das Video angeboten worden. In Anspielung darauf feixte er bei seinem Grußwort bei der Romy-Gala: „Gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar Geschäftsfreunden in eine russischen Oligarchenvilla auf Ibiza.“

Die „Ibiza-Affäre“, wie der Titel der Österreich-Ausgabe des „Spiegel“ lautet, hat Wiens Politszene durcheinandergewirbelt. Das Hamburger Nachrichtenmagazin nannte seine Story einen „Werkstattbericht aus einer Bananenrepublik“. Das „rein private“ Treffen in „lockerer, ungezwungener und feuchtfröhlicher Urlaubsatmosphäre, so Strache zur Erklärung, wird das Wahlkampffinale dominieren und über die Zukunft der türkis-blauen Koalition und die EU-Wahl entscheiden.

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