Wir tun so, als ob wir Regeln aufstellen, und ihr tut so, als ob ihr sie befolgt

Virulente Falschnachrichten sind kein Betriebsfehler, sondern die logische Konsequenz des Geschäftsmodells von Facebook, Twitter und Co. Die EU-Kommission weiß mit dieser Erkenntnis allerdings wenig anzufangen.

Im Gegensatz zu der für Wettbewerbsfragen zuständigen EU-Kommissarin Margarethe Vestager hat ihre mit der digitalen Agenda betraute Kollegin, Mariya Gabriel, erstens eine weniger glamouröse Aufgabe und zweitens keine Handhabe gegen internationale Internetkonzerne. Während Vestager aufgrund ihres medienwirksamen Vorgehens gegen Google und Apple (im ersten Fall geht es um den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung, im zweiten Fall um Steuerminimierung) bereits als mögliche Nachfolgerin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gehandelt wird, muss Gabriel kleinere Semmeln backen.

Demnächst wird die Digitalkommissarin ihren Plan zur Bekämpfung von Desinformation in den Sozialen Netzwerken vorlegen. Hält sie sich an die Vorschläge, die eine Arbeitsgruppe zu Wochenbeginn publik gemacht hat, dann dürfte sie allerdings nicht sehr weit kommen. Denn die Ideen der von ihr betrauten Experten erschöpfen sich darin, Facebook, Twitter und Co. freundlich darum zu bitten, sich, bitte schön, mehr für die Wahrheit einzusetzen. Von verpflichtender Zusammenarbeit bei der Erforschung des Phänomens Fake News ist bis dato keine Rede. Vielmehr erinnert das Vorgehenan das informelle Motto des Realsozialismus: "Wir tun so, als ob wir arbeiten, und ihr tut so, als ob ihr uns bezahlt" - die EU tut so, als ob sie ein echtes Interesse an der Kooperation der Internet-Konzerne hätte, und die Konzerne tun so, als ob sie sich am Kampf gegen Fake News beteiligen würden.

Was jammerschade ist, denn mit der Aufforderung zur freiwilliger Selbstkontrolle wird die EU nicht weit kommen. Der Grund? Virulente Falschnachrichten sind kein Betriebsfehler, sondern die logische Konsequenz des Geschäftsmodells der Social Media-Plattformen. Anders formuliert: Wenn bezahlte Trolle im Vorfeld einer Wahl Stimmung gegen den einen oder anderen Kandidaten machen, dann schlüpfen sie durch kein versehentlich offen gelassenes Schlupfloch, sondern nutzen jene legalen Features, die Facebook, Twitter und Co. ihren Werbekunden anbieten - also das Auswerten der Userprofile und das gezielte Ansprechen ebendieser User. Hier geht es nicht um die Wahrheit, sondern um Augäpfel, Clicks und Likes. Die EU-Kommission weiß mit dieser Erkenntnis bis dato herzlich wenig anzufangen. 

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