Fernöstliche Fantasie: Louis Vuittons Wanderausstellung

Kunstvoll. He An, Neonkünstler aus Shanghai, schuf eine ortsspezifische Installation für die Schau.
Kunstvoll. He An, Neonkünstler aus Shanghai, schuf eine ortsspezifische Installation für die Schau. (c) Louis Vuitton Malletie
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Nach Stationen in Paris, Seoul, New York und Tokio bringt Louis Vuitton seine Wanderausstellung „Volez, Voguez, Voyagez“ nach Shanghai.

Sollte man aus der unendlich langen Auflistung chinesischer Sprichwörter eines heraussuchen, das für alles Folgende passt, dann wäre das vielleicht: „Wohin du auch gehst, gehe mit deinem ganzen Herzen." Im gegebenen Fall ist der Zielort Shanghai, und wer auch immer im Hause Louis Vuitton beschloss, dort die fünfte Station der 2015 konzipierten Wanderausstellung „Volez, Voguez, Voyagez" aufzuschlagen, tat dies gewiss mit bester Absicht und viel Herzblut.Kein Markt wird schließlich von Luxusmarken derzeit heißer umworben als der chinesische – schon jetzt stellen chinesische Shopper in ihrem Heimatland und international ein Drittel der globalen Luxusklientel dar, Tendenz steigend.

Und unter allen Megalopolen des Landes ist Shanghai mit Sicherheit jene, die die Fantasie am meisten beflügelt und, siehe oben, das Herz aller Verantwortlichen schneller schlagen lässt. Für die luxusaffine VIP-Bevölkerung vor Ort bedeutet das, dass in Hochphasen täglich (das ist keine Übertreibung) riesige Events global operierender Marken abgehalten werden: Heute eine Modeschau hier, morgen ein Minikonzert da, übermorgen vielleicht gleich drei Veranstaltungen zeitgleich, wie man sie selbst in Paris oder New York nicht öfter als ein, zwei Mal im Monat erlebt: Das Luxusleben in Shanghai verlangt allen Beteiligten viel Durchhaltevermögen ab.

Imposant. Das Shanghai
Imposant. Das Shanghai (c) Best View Stock/getty images

Eine hausgemachte Modeausstellung mit durchaus kostümhistorischem Anspruch, wie es bei „Volez, Voguez, Voyagez" der Fall ist, bietet jedoch den Vorteil, dass sie über das Punktuelle hinausgeht und auch ein Nicht-VIP-Publikum erreicht, somit einen geradezu pädagogischen Zweck erfüllt. Standesgemäß wurde die Eröffnung der Schau dennoch mit einer riesigen Celebrity-Sause gefeiert. Wie die Ausstellung selbst fand die Party im einstigen Sino-Sowjetischen Freundschaftsgebäude statt, das heute ideologisch abgespeckt als Shanghai Exhibition Centre firmiert und 1955 ein Geschenk der Russen im typischen Zuckerbäcker-Architekturstil an den befreundeten Nachbarstaat war.

In Prunksälen, und originellerweise unter roten Kommunismus-Sternen, lauschte eine ergriffene Zuhörerschar beim Festmahl etwa einem Klavierkonzert von Lang Lang, der, selbstredend im Total Look von Louis Vuitton, mit expressiver Körpersprache aufspielte. Internationale Schauspielprominenz (Alicia Vikander, Sophie Turner, Léa Seydoux) war ebenso zugegen wie eine chinesische (Maggie Cheung zumindest kennt man auch hierzulande), auch einiges an Wirtschaftsprominenz hatte sich eingefunden: Man konnte also von einem gelungenen Abend sprechen.

Momentaufnahme. Bereits 2016 unterstrich das Maison seine Verbundenheit mit Shanghai: Als Teil der „Fashion Eye“-Publikationsreihe erschien ein Band mit Bildern von Wing Shya. Der aus Hongkong stammende Fotograf legte seine Sicht der Stadt vor.
Momentaufnahme. Bereits 2016 unterstrich das Maison seine Verbundenheit mit Shanghai: Als Teil der „Fashion Eye“-Publikationsreihe erschien ein Band mit Bildern von Wing Shya. Der aus Hongkong stammende Fotograf legte seine Sicht der Stadt vor.(c) Wing Shya

Kultur des Reisens. Was nun die Ausstellung betrifft, im firmeninternen Sprech bei Louis Vuitton läuft sie liebevoll unter „VVV", so sind zwei Aspekte besonders hervorzuheben. Kuratiert vom früheren Direktor des Musée de la mode de la Ville de Paris im Palais Galliera, Olivier Saillard, und seinem Partner Gaël Mamine, handelt es sich um eine Ausstellung, die zum einen retro­spektivisch die Firmengeschichte von Louis Vuitton seit dem Gründungsjahr 1854 zusammenfasst. Zu sehen ist eine Vielzahl an historischen Objekten aus dem Firmenarchiv, daneben topaktuelle Taschen und Mode, die man auf der gegenüberliegenden Seite der Nanjing West Road sofort in einer Louis-Vuitton-Boutique käuflich erstehen könnte. Die Balance aus ernst zu nehmender Modeausstellung und kommerziellem Showroom ist aber gelungen, und auch Looks aus der soeben ausgelieferten „Cruise"-Kollektion bzw. von Grace Coddington für das Maison entworfene Accessoires aus einer limitierten Edition finden in keineswegs störender Weise ihren Platz.

Zum anderen wird hier, das ist auf einer übergeordneten Ebene relevant, die (Kultur-)Geschichte des Reisens mit der Modegeschichte gekreuzt. Daraus ergeben sich aufschlussreiche Querverweise, was auch die nach Shanghai gereiste neue Direktorin des Palais Galliera, Miren Arzalluz, bestätigt: „Reisen und die neue Mobilität des 19. Jahrhunderts haben einen großen Einfluss auf die Ansprüche, die man an Bekleidung stellt. Diese Ausstellung zeigt sehr gut auf, wie Mode und die Geschichte des Reisens sich parallel entwickeln."

Im Bild. Das Gemälde des jungen Louis Vuitton von Yan Pei Ming, 1960 in Shanghai geboren, könnte ebenfalls Teil des „China Trail“ bei der fünften Station der Ausstellung sein, wurde aber schon 2015 für Paris in Auftrag gegeben.
Im Bild. Das Gemälde des jungen Louis Vuitton von Yan Pei Ming, 1960 in Shanghai geboren, könnte ebenfalls Teil des „China Trail“ bei der fünften Station der Ausstellung sein, wurde aber schon 2015 für Paris in Auftrag gegeben. (c) Sun Shi

Reisen wie Marie Antoinette. Da in Shanghai bereits die fünfte Version der Louis-Vuitton-Retrospektive gezeigt wird, ist es bedeutsam festzuhalten, dass bei jedem Stopp leichte Veränderungen vorgenommen werden. Das ist unter anderem den sich ändernden Räumlichkeiten geschuldet, außerdem hat aber das Kuratorenduo Saillard und Mamine seit 2015 nicht aufgehört, über mögliche Variationen nachzudenken. Eine historische Kostbarkeit, die in Shanghai zum ersten Mal im „VVV"-Rahmen gezeigt wird, ist eine Reisetruhe von Marie Antoinette aus der Periode vor der Thronbesteigung ihres Gemahls. „Eine Wanderausstellung bietet den Vorteil, dass sie von Station zu Station reichhaltiger werden kann", unterstreicht Gaël Mamine. „Bei der Truhe von Marie Antoinette wussten wir zum Beispiel 2015 noch nicht, dass es sie gab. Wir forschen unablässig zum Thema des Reisens, erstellen eine Liste der möglichen Exponate und entscheiden uns letzten Endes dafür, um welche Leihgaben wir uns bemühen wollen." Marie Antoinette habe man auch ausgewählt, weil sie, so Mamine, neben der letzten Kaiserin, Eugénie de Montijo, international als historische Referenz für französisches Modebewusstsein gelte.

Zur kontinuierlichen Evolution des Ausstellungskonzepts trägt außerdem die Tatsache bei, dass bei jeder neuen Station eine Verbindung zur Kultur des Landes hergestellt werden soll. So zieht sich auch in Shanghai ein als „China Trail" gekennzeichneter roter Faden durch die Schau: Hervorzuheben ist etwa eine Lichtinstallation des 1971 geborenen, in Peking lebenden Künstlers He An im Raum über Red-Carpet-Mode, ein Auftragswerk von Louis Vuitton. Auch der Beitrag von dem Gegenwartskünstler Ding Yi – ein Koffer-Spezialmodell mit dem Namen „Cocktail and Cigar" – ist ein für die Ausstellung in Shanghai geschaffenes Unikat. Darüber hinaus belegen zahlreiche historische Objekte aus den Archiven der Luxusmarke, dass die Verbindung mit dem Land des Lächelns weit in die Vergangenheit zurückreicht. Auf großes Publikumsinteresse dürfte die Schau, die bis Anfang Februar 2019 zu sehen ist, mit ihrer Vielzahl an Exponaten jedenfalls stoßen.

Der Autor reiste auf Einladung von Louis Vuitton nach China.

(c) Louis Vuitton Malletier/Patrick Galabert

Kunst am Koffer

Kooperationen mit Künstlern haben bei Louis Vuitton eine lange Tradition, die auf die Initiative von Gaston-Louis Vuitton, Enkel des Firmengründers, zurückgeht. Für die Schau in Shanghai kreierte der chinesische Gegenwartskünstler Ding Yi einen „Cocktail and Cigar"-Koffer. Yi, Jahrgang 1962, ist für seine Arbeiten mit markanter Linienführung, häufig Ausschabungen aus überlagerten Farbschichten, bekannt.

(c) RMN Grand Palais (Château de Versailles)/Gérard Blot

Historischer Fund

Ein besonderes Schmankerl ist ein Holzkoffer – oder eine Reisetruhe – von Marie Antoinette: Das Objekt aus den frühen 1770er-Jahren ist beschriftet mit „Garderobe de M.me La Dauphine N° 10" und ist eine Leihgabe des Musée de Versailles. Marie Antoinette gelte, so die Kuratoren, ungeachtet ihres Endes als eine der historischen Referenzen für französisches ­­Stilempfinden. Ihre Truhe ist in Shanghai erstmals Teil der ­Ausstellung.

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