Brexit-Studie: Verflochtene Wirtschaft reagiert sensibel

Professor Florian Huber, Professorin Sonja Puntscher Riekmann, Professor Stefan Griller
Professor Florian Huber, Professorin Sonja Puntscher Riekmann, Professor Stefan GrillerPeter Hautzinger
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Salzburger Forscher berechnen die makroökonomischen Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU für Österreich und die anderen Mitgliedsstaaten.

612.000 Arbeitsplätze könnte ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der EU laut einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle weltweit vernichten. Welche konkreten Folgen ein Hard Brexit, sprich ein No-Deal-Brexit, im Unterschied zu einem Soft Brexit auf Österreich und die anderen EU-Länder hätte, untersuchten nun Forscher des Centre of European Union Studies der Uni Salzburg.

Dabei wendeten sie einen methodischen Ansatz, der von Makroökonomen rund um Florian Huber entwickelt wurde, an. „Es handelt sich um ein dynamisches Zeitreihenmodell, das Abhängigkeiten zwischen ausgewählten Ländern der Eurozone abbildet“, so Huber. Das ermögliche eine Analyse der wechselseitigen Auswirkungen des Brexit.

Blick auf Abhängigkeiten

Beachtenswert sind vor allem die starken makroökonomischen Reaktionen in den einzelnen Ländern im Fall eines harten Brexit. Als Ausgangsgröße wurden die Schätzungen der Bank of England verwendet, denen zufolge es zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung in Großbritannien von rund 7,5 Prozentpunkten käme.

Reaktionen im Falle eines soft und hard Brexit.
Reaktionen im Falle eines soft und hard Brexit.Salzburg Centre of European Studies (SCEUS)

Im Detail

Laut der Salzburger Studie ginge das Wirtschaftswachstum (als Maß dafür wurde die Industrieproduktion herangezogen) in Österreich um 4,5, in Deutschland um 4,2, in Frankreich um 5,8, in Spanien um 4,6 und in Italien um 5,9 Prozentpunkte zurück. Bei einem Soft-Brexit-Szenario würde sich der Einbruch zwischen 0,7 und 1,0 Prozentpunkten bewegen. Zudem wäre der Effekt auf die Inflation bei einem Hard Brexit gleich um ein Vielfaches stärker als im Fall eines Soft Brexit (am ausgeprägtesten in Frankreich und Spanien) – in Österreich wären es -0,124 bzw. -0,021 Prozentpunkte.  Für Österreich wurden folgende Reaktionen für einen „Soft Brexit“ bzw. einen „Hard Brexit“ berechnet: -0,656 bzw. -4,494 Prozentpunkte Schrumpfung der Industrieproduktion, -0,021 bzw. -0,124 Prozentpunkte Inflation, -0,100 bzw. -0,580 Prozentpunkte bei Zinsen (zehnjährige Renditen auf Staatsanleihen), -1,512 bzw. -8,755 Prozent bei Aktienkursen sowie 0,260 bzw. 1,502 Prozent beim realen effektiven Wechselkurs (1 entspricht 1 %).

Zu den Herausforderungen für politische Entscheidungsträger auf höchster Ebene würde zählen, so die Forscher bei der Präsentation der Studie vergangenen Dienstag in Wien, die negativen Auswirkungen der Produktion auszugleichen und gleichzeitig den disinflationären Druck zu bekämpfen. In Anbetracht der evident negativen Folgen des Brexit müsse man auch Verwerfungen an den europäischen Aktienmärkten erwarten. Diese Effekte betreffen ebenfalls internationale Währungsmärkte, wobei das britische Pfund an Außenwert verliere und der Euro tendenziell aufwerte. Das führt zu einer Verteuerung der EU-Exporte. Diese Verteuerung würde sich negativ auf die Exportaktivitäten auswirken und dies würde, in weiterer Folge, eine Abschwächung der Wachstumsdynamik bedingen. Darüber hinaus würden Importe günstiger werden, was zu einem erhöhten Deflationsdruck führen würde.

„Was uns die gegenwärtige Situation auf jeden Fall deutlich macht", so die Politikwissenschaftlerin Sonja Puntscher Riekmann, „ist, wie verflochten die Wirtschaften in Europa sind und wie schwierig es ist, sich aus diesem Verbund zu lösen." Dass der Brexit erst der Anfang vom Ende sei, dieser These steht sie skeptisch gegenüber, „gerade wegen der ökonomischen Effekte und der rechtlichen Problematik". (cog)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)

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