Ein (fast) unsichtbares Congress Centrum – mit 3D-Akustik

Das erweiterte Alpbacher Congress Centrum
Das erweiterte Alpbacher Congress Centrum(c) Katharina Roßboth
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Mobile Wände im Erweiterungsbau sorgen für räumliche Wandelbarkeit, das digitale Soundsystem simuliert den Klang des Kölner Doms – oder eine lästige Fliege.

Aus der Vogelperspektive betrachtet, ist es kaum zu erkennen. Da, wo sich Alpbachs Hauptstraße an der Kirche vorbei immer weiter nach oben schlängelt, scheint bloß eine Wiese zu sein. Und dennoch tummeln sich hier zahlreiche Studenten, Forscher und Politiker. Fahnen aus mehreren Staaten ragen gen Himmel, obgleich es so wirkt, als wären sie, und der im Sommer stillgelegte Bögler-Feldlift, die einzige Attraktion. Bei genauerem Hinsehen aber sind Reflexionen zu erkennen. Geschuldet sind sie zwei Glasflächen, die in den Hang gelegt wurden – genauer gesagt: auf das unter ihm befindliche Dach des Congress Centrums.

1214 Quadratmeter misst es, ebenso viel wie das von ihm vor Witterung geschützte Herzstück des Erweiterungsbaus: das Europa-Foyer und der Elisabeth Herz-Kremenak-Plenarsaal, benannt nach der gleichnamigen Fachärztin für Frauenheilkunde und für Psychiatrie/Psychotherapie. „Diese beiden ermöglichen unserem Haus eine unglaubliche Wandlungsfähigkeit“, sagt Geschäftsführer Georg Hechenblaikner.

Geschuldet ist die Flexibilität den beweglichen Wänden: „Wird eine Ausstellung oder Messe abgehalten, können wir alle Wände an den Rand schieben. Finden Vorträge oder Workshops statt, werden sie so eingezogen, dass vier Säle entstehen, der eigentliche Herz-Kremenak-Saal mit einer Fläche von 394 Quadratmetern sowie drei etwa gleich große, rund 90 Quadratmeter umfassende Räumlichkeiten.“ Einer davon ist dem Zeichner Paul Flora gewidmet, einer dem Nasa-Raumfahrtexperten Klaus Peter Heiss, der letzte Saal wiederum trägt den Namen des Historikers Iginio Rogger. Die geschätzte Umbauzeit: knapp zwei Stunden.

32 Mikrofone, 62 Lautsprecher

„Soll das Congress Centrum hingegen einer Gala oder einem Konzert Raum bieten, schließen wir die vier Säle zusammen, ohne das Foyer einzubeziehen, und haben rund 680 Quadratmeter zur Verfügung“, zählt Hechenblaikner, der dem Haus seit 2003 vorsteht, die Variationsmöglichkeiten auf. Sitzplätze finden dort zwischen 500 und 750 Personen, das hängt von der gewählten Ausstattung ab. „Wird eine parlamentarische Bestuhlung gewünscht, also Tisch plus Stuhl, können sich 500 Personen an sie setzen. Braucht es eine Konzertbestuhlung, folglich Sesselreihen, sind es 750“, sagt der gelernte Touristiker. Über dem neuen Saal thronen vier Dolmetscherkabinen und ein Raum, der Mischpulte und die Bühnenlichttechnik beherbergt.

Der Ton kommt aus 62 Lautsprechern, drei Beamer liefern in Full HD die dazugehörigen Bilder, die die gesamte Rückwand erfüllen können. 32 von der Decke hängende Mikrofone bieten eine digitale 3D-Saalakustik, die es in dieser Form in Europa noch nicht gibt: Sie ermöglicht es, die Akustik des Kölner Doms oder der Notre Dame ebenso zu simulieren wie das Echo in einem Tal oder in einer kleinen Kapelle. Auch absolute Stille ist programmierbar: „Es ist sehr störend, wenn ein Vortragender während einer Rede dreimal sein eigenes Wort hört“, sagt Hechenblaikner. „Wir nehmen ihm diesen Stress, indem wir auf die Null-Nachhall-Taste drücken.“ Auf eventuell ausufernde Vorträge im Rahmen des Europäischen Forums ist man ebenfalls vorbereitet: „Wird zu lange gesprochen, imitiert die Technik eine Fliege, die ihre Kreise zieht, sich nähert und immer lauter wird“, sagt Hechenblaikner. Und das neue Akustiksystem gibt es nicht nur im neuen Gebäudeteil: „Im Zuge der Bauarbeiten, die von März des Vorjahres bis heuer in den Juli gedauert haben, wurde auch der Bestandsbau modernisiert.“

Auch geheizt wird in der „Green Meeting Location“, die erst gestern, Sonntag, mit dem Klima-Aktiv-Zertifikat in Silber ausgezeichnet wurde, einheitlich: Die Pelletsheizung, die schon bisher für angenehme Temperaturen gesorgt hat, wird nur mehr für den Spitzenlastbetrieb angeworfen. In den Worten des Centrums-Chefs: „Bei Vollbelegung und minus 20 Grad.“
Ansonsten übernimmt eine geothermische Wärmepumpe das Heizen: Unterhalb der Bodenplatte der zweigeschoßigen Tiefgarage (113 Wagen können hier abgestellt werden) wurden 28 Löcher gebohrt, die eine Gesamtlänge von vier Kilometern haben. „Damit holen wir Wärme aus der Erde und lagern sie ein“, sagt der gebürtige Reither. Und: „Wir erzeugen mit der Pumpe auch Kälte. Das heißt: Im Winter heizen wir mit der Wärme, die wir dem Gebäude im Sommer entziehen und im Boden speichern. Ein Teil der dafür nötigen Energie kommt aus einer Photovoltaik-Anlage. „Die Solarzellen haben eine Fläche von 50 Quadratmetern und sind in die Fassade integriert“, sagt Hechenblaikner. Mit dem aus dem Sonnenlicht gewonnenen Strom wird die Grundlast des Gebäudes abgedeckt. Oder aber er betreibt einen Teil der Klimaanlage, die Frischluft in die Säle des Congress Centrums pumpt.

Schuhgarage auf der Dachwiese

„Unsere Gäste sollen aber nicht nur unsere Räume, sondern auch unsere Landschaft genießen, sozusagen das unterirdisch Gehörte oberirdisch verarbeiten“, so Hechenblaikner. Das bedeutet: „Wir planen eine Art Schuhgarage – eine Möglichkeit, die Schuhe abzustellen und barfuß auf der Dachwiese zu wandeln.“ Ganz so, wie es in den Anfängen des Europäischen Forums üblich war.
Denn damals, 1945, als Otto Molden und Simon Moser zu den ersten „Internationalen Hochschulwochen“ in das Bergdorf luden, standen nur drei Gasthäuser zur Verfügung. Bei Sonnenschein wurden daher im Freien Sitzkreise geformt. Mitte der 1950er Jahre wurde den Teilnehmern ein nach Moldens Mutter, der Schriftstellerin Paula von Preradović, benanntes Haus gebaut, das 1999 dem Congress Centrum Alpbach wich.

Finanziert haben den rund elf Millionen Euro teuren Um- und Erweiterungsbau (die Pläne stammen vom Innsbrucker Architekten-Team DIN A4, für die Baumeisterarbeiten verantwortlich zeichnete die Kufsteiner Firma Bodner) zu einem Großteil das Land Tirol (7,1 Millionen Euro). Drei Millionen Euro entfallen auf die Europaregion Tirol- Südtirol-Trentino, eine wurde von der Gemeinde und dem Tourismusverband Alpbachtal Seenland aufgebracht. Bezahlt ist das Haus also, doch rentiert es sich? „Wir schreiben eine schwarze Null“, sagt Hechenblaikner – Tendenz schwärzer werdend. Denn: „Unsere Umsatzprognosen für 2017 lassen ein Plus von 15 Prozent erwarten.“

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