Der muslimische Prediger soll laut einem Geheimpapier nicht persönlich in den gescheiterten Putsch im Juli involviert gewesen sein. Der Umsturzplan sei vielmehr ein Versuch gewesen, eine drohende Verhaftungswelle abzuwehren.
Wer steckt hinter dem türkischen Putschversuch von vergangenem Juli? Der "Presse" liegt ein streng vertrauliches, sechsseitiges Dokument der geheimdienstlichen Analyseabteilung des Auswärtigen Amtes der EU (EUINTCEN) vor, das Details liefert, die türkischen Angaben widersprechen: Es sei "höchst unwahrscheinlich", dass der in den USA im Exil lebende Prediger Gülen "eine Rolle bei dem Putschversuch gespielt" habe, heißt es darin.
Die offizielle Lesart in Ankara sieht anders aus: Nachdem die Unterstützer des islamischen Predigers Fethullah Gülen in den türkischen Streitkräften am 15. Juli 2016 ohne Erfolg versucht hatten, die Regierung der Türkei zu stürzen, sah sich Staatschef Recep Tayyip Erdogan zum Handeln gezwungen und leitete eine Säuberungswelle in den staatlichen Institutionen ein. Die seit Monaten andauernde Hexenjagd auf Andersdenkende ist dem nach nichts anderes als eine Reaktion auf die nach wie vor akute Gefahr eines gewaltsamen Umsturzes in der Türkei. In Brüssel und den Hauptstädten der EU wird diese Lesart nach außen hin akzeptiert und für bare Münze genommen. Doch intern sind die Zweifel an den Erklärungen der Regierungen in Ankara massiv.