Was Sie schon immer über Gold wussten - und warum es falsch ist.

Goldlegenden hinterfragt, Folge eins: "Regierungen, Staaten und Notenbanken hassen Gold!"

Ich musste lachen: just ein paar Tage nachdem ich die Online-Universen von Gold und Mobiltelefonen miteinander verglichen habe, bringt die Bank-of-England eine eigene App heraus. Für das iPhone - samt Rundgang durch den Goldspeicher! Dazu gleich mehr...

...lassen Sie mich zuvor folgendes sagen: Dieses Blog ist auch ein Experiment, das seine Richtung noch sucht. Mal geht es in die eine, mal in die andere. Im Mittelpunkt des Experiments steht der Versuch, ein "anderes" Goldblog zu schreiben, das die übliche Goldbug-Rhetorik genauso vermissen lässt wie die allzu simplen Anti-Gold-Argumente. Heißt: es soll zum Nachdenken anregen, nicht vorgefasste Meinungen bestätigen. Und soweit ich das beurteilen kann, funktioniert es sogar! Manchmal besser, manchmal schlechter.

Gut, genug in den Interna gewühlt. Kommen wir zur Sache, institutionalisieren wir diesen Gedanken. Heute schreibe ich den ersten Eintrag einer neuen Blog-internen-Reihe:

Goldlegenden hinterfragt. Oder: Was Sie schon immer über Gold gewusst haben - und warum es falsch ist

Goldbug-Logik

Wir kennen das alle - von uns selbst und von anderen: diese mit Inbrunst vorgetragenen Vorträge von Überzeugungstätern. "Staaten, Zentralbanken und Regierungen hassen Gold", ist einer dieser Stehsätze. Er impliziert, dass es eine Form von stiller Rebellion wäre, aus dem Geldsystem auszusteigen und Gold zu kaufen.

Das Argument ist so überzeugend, dass auch die größten Goldgegner gerne darauf einsteigen. Nehmen sie zum Beispiel diesen Hurra-der-Goldpreis-sinkt-Artikel im US-Blog Business Insider. Zusammenfassung: Dass Gold im Preis sinkt sei ein "Triumph der Menschen" (oder sowas ähnliches) - und der endgültige Beweis für die Allmacht der "Governments", die durch geschickte Interventionen die Welt gerettet hätten. Der Autor dieser Zeilen bewegt sich dabei keine Sekunde lang außerhalb des "Staaten-hassen-Gold-Paradigmas" und fällt so ironischerweise genau der Logik zum Opfer, die er eigentlich widerlegen will - der "Goldbug"-Logik.

Es stimmt schon: verglichen mit staatlichen Papiergeldern ist Gold tatsächlich "unabhängiger" - aber ist das Metall deswegen wirklich eine "Gefahr", die von staatlicher Seite her bekämpft werden muss? Und wenn ja, warum gibt es dann kein "Goldverbot"? Warum kann ich in aller Ruhe Goldmünzen kaufen. Und nicht nur das: warum kann ich in aller Ruhe Goldmünzen kaufen, die von staatlichen Prägerein (think Münze Österreich) hergestellt werden? Ist da nicht eine offensichtliche Riesenlücke in dieser "Logik"? Lassen sich Goldfans hier von der eigenen Rhetorik blenden?

Paperbug-Logik

Betrachten wir es von der anderen Seite, aus der Perspektive der nicht minder geblendeten Anti-Gold-Fraktion. Ihre "Logik" geht so, wie es der Zeit-Autor in der inzwischen legendären (smile) Titelgeschichte geschrieben hat: "Versenkt das Gold im Meer"! Die "Logik" lautet hier: Gold ist ein barbarisches Relikt, die Menschheit hat sich weiterentwickelt, endlich! Einzig: Wenn dem so ist, warum ist Gold dann bis heute so ein riesengroßer, sehr liquider Markt? Warum halten alle Zentralbanken, die etwas auf sich halten, Goldreserven? Warum kaufen diejenigen, die noch nicht genug haben, hand-over-fist zu? Ist da nicht ebenfalls eine Riesenlücke in dieser "Logik"?

Die Antwort ist relativ simpel: Diese Debatte dreht sich nicht um Gold. Sie dreht sich um den Goldstandard! Also die fixe Bindung des Papiergelds an die Goldreserven. Nur wenn man vom Goldstandard spricht, macht diese Argumentation Sinn. "Die Regierungen hassen den Goldstandard" - ok, das kann man so stehen lassen. Auch die Gold-ist-ein-barbarisches-Relikt-Fraktion sollte ihren Keynes mal genau lesen: der sprach ebenfalls vom Goldstandard und nicht vom Gold.

Jetzt wird es ein wenig kniffliger: Dass Regierende den Goldstandard nicht mögen ist verständlich, steckt er sie doch in ein (manchmal gefährlich) enges Korsett und nimmt ihnen die Möglichkeit zur Inflation durch Gelddrucken, die vor allem die ärmeren Menschen besonders hart trifft. (Die Ähnlichkeiten zum Euro sind übrigens beachtlich.) 

Staats-Logik

Bei Staaten/Zentralbanken ist das Bild schon ein wenig unklarer. Staaten und Regierungen werden gerne verwechselt, wobei ersteres (der Staat als "Wesen") meist eine durchaus enge Beziehung zum Gold an sich pflegt (bis hin zum Glauben, dass der Goldschatz eines Staates dessen Existenz erst bestätigt - bei der jungen Tschechoslowakei war das beispielsweise so).

Auch heute bauen die Staaten wieder auf den Aufbau von Goldreserven und je fester die Regierenden im Amt sitzen, je mehr sich also die Begriffe "Staat" und "Regierung" überlappen, desto enger wird ihre Beziehung zum gelben Metall - eigenartig, nicht? Fast so, als hätten auf Zeit gewählte Politiker gar nicht die Weitsicht, sich um die Goldreserven eines Landes zu scheren. Gut möglich, dass sie deswegen von "höheren Mächten" vom Gold ferngehalten werden. So ist die Vorstellung, Zypern könne Gold verkaufen(!) um seine Schulden zu decken, komplett lachhaft. Die zyprische Regierung hat gar keinen Zugriff auf das Metall! Dank des Eurosystems. (Die "höheren Mächte", das sind die Notenbanker.)

Chavez, Putin und die Queen

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Gold1(c) REUTERS (HANDOUT)
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Gold2(c) EPA (Presidential Press Service/Itar-Tass /Pool)
Gold3
Gold3

Bitte die Beissreflexe jetzt zu unterdrücken. Gold ist keineswegs eine Angelegenheit nur von Diktatoren und Monarchen! (Auch wenn diese oft eine besondere Liebe zum Gold zeigen. So ist die Frau von Tunesien-Diktator Ben Ali vor ihrer Flucht nach Saudi Arabien persönlich zur Nationalbank gegangen um sich Gold zu holen. Angeblich mehr als eine Tonne. Als das Haus der Ben Alis wenig später durchsucht wurde, fand man hinter fast jeder Wand Stapelweise Papiergeld. Das wäre doch viel einfacher zu transportieren gewesen, nicht? Die Ben Alis haben sich jedenfalls für Gold entschieden, vielleicht auch weil Saudi Arabien sie sonst nicht akzeptiert hätte? Think about it.)  Gold ist jedenfalls ein Interesse, das Langfrist-Staatenlenker zu teilen scheinen. Wobei das Queen-Foto auch eine andere Message haben könnte: "Seht her! Es ist noch alles da!"

In der Bank of England lagert nämlich nicht nur das englische Gold, sondern das von vielen anderen Nationen. Auch ein Teil des österreichischen Goldes befindet sich dort. Das wissen wir erst, seitdem die Österreichische Nationalbank, die Deutsche Bundesbank und die Schweizerische Nationalbank ihre "Goldtransparenz" erhöht haben - im Verlauf des vergangenen Jahres. 

"Why don't we have an app?"

Die neue Bank-of-England-iPhone-App ist da ein weiterer Schritt. Wobei: gut möglich, dass die App gar nichts mit "Goldtransparenz" zu tun hat und sich einfach nur irgendein gelangweilter Notenbank beim Spielen mit seinem iPhone gedacht hat: "Why don't we have an app? I shall start an inquiry within a fortnight. But first: tea!"

In diesem Fall wären die Entwickler der Software vor der Herausforderung gestanden, die abstrakte Arbeit der BoE in einer App grafisch so darzustellen, dass sich das auch irgendwer runterlädt. Und es gibt eben genau eine Sache, die an einer Zentralbank wirklich interessant ist: die Goldreserven!

Und glauben Sie ja nicht, die Notenbanker wüssten das nicht. Die sind nicht dumm, sie stellen sich nur manchmal dumm um unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Tatsächlich gab und gibt es unter den mächtigen Zentralbankern (und sie sind heute mächtiger denn je) nur die Debatte, "wie viel" und "welche" Bedeutung Gold zu geben ist- nicht etwa ob es überhaupt eine hat. Sogar der Goldstandard hat noch immer seine Fans unter den Damen und Herren Notenbankern. Nehmen wir dieses Zitat des legendären Bank-of-England-Chefs Montagu Norman (gefunden in Daniel D. Eckert's Buch "Alles Gold der Welt"):

»Der Goldstandard ist der beste 'Gouverneur', den man sich vorstellen kann für eine Welt, die immer noch eher menschlich als göttlich ist.«

Montagu Norman, zugeschrieben

Auch Alan "Maestro" Greenspan hat Gold ganz genau verstanden, wie sein Essay aus dem Jahr 1966 beweist:

»This is the shabby secret of the welfare statists' tirades against gold. Deficit spending is simply a scheme for the confiscation of wealth. Gold stands in the way of this insidious process. It stands as a protector of property rights. If one grasps this, one has no difficulty in understanding the statists' antagonism toward the gold standard.«

Alan Greenspan

Hier ist ein Video von Greenspan aus dem Jahr 2007(!) zum Thema Goldstandard. 

Notenbanken und Staaten sind nicht "gegen" Gold

Kurz: die Notenbanker sind sich der Bedeutung von Gold vielleicht bewusster als irgendjemand anderer (Ökonomen und Politiker ausdrücklich eingeschlossen). Gold ist das einzige Asset einer Notenbank, das nicht von einer anderen Notenbank beliebig entwertet (inflationiert) werden kann. Und es ist (für Notenbanken mehr noch als für den einfachen Mann) das ultimative Überlebenstool. Wir kleinen Leute retten via Gold (und mit viel Glück) unsere Kaufkraft über die Zeit und von einem Geldsystem ins andere, die Notenbanken retten ihre Bedeutung und ihre (fast unbegrenzte) Macht. Im Gegenzug halten sich die Ehrenwerten unter ihnen an einen ungeschriebenen Pakt, die Menschen nicht mit Inflation zu quälen. (Noch so ein Element, das beim Eurosystem prominenter zu sein scheint, als bei älteren Währungen.)

Heißt: Egal ob man nun "für" oder "gegen" Gold ist, die Aussage, dass "Staaten, Regierungen und Notenbanken Gold hassen", ist falsch. Dass der Goldstandard in seiner klassischen Form zurückkehrt, bezweifle ich. Aber dass Gold eine bedeutende Rolle in den Überlegungen der Regierungen und Notenbanken spielt, ist kaum zu übersehen.

(Lesen Sie in der nächsten Folge: Warum kein Goldverbot kommt.)


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