SPÖ spielt der ÖVP den Schwarzen Peter für vorgezogene Neuwahl zu

Michael Schickhofer
Michael SchickhoferAPA/ERWIN SCHERIAU
  • Drucken

Die Kanzlerpartei möchte erst 2018 wählen. Aber „nicht um jeden Preis“, wenn die Volkspartei unter einer neuen Führung nur auf eine Blockadepolitik und ein „Anpatzen“ von Kern als Regierungschef setzt.

Wien/St. Pölten/Graz. In der rot-schwarzen Koalition sind nicht erst seit dem Abgang von Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner am Mittwoch die Taktiküberlegungen über vorgezogene Neuwahlen im Gang. Fest steht, dass weder Rot noch Schwarz vor der Bevölkerung als jene Regierungspartei gebrandmarkt sein möchte, die die Zusammenarbeit vor dem regulären Termin der nächsten Nationalratswahl im Herbst 2018 für beendet erklärt.

Von Bundeskanzler SPÖ-Chef Christian Kern abwärts herrscht in den Reihen der Sozialdemokraten außerdem Einvernehmen, dass die ÖVP und deren künftiger Parteiobmann, der aus SPÖ-Sicht nur Sebastian Kurz heißen kann, einen Offenbarungseid leisten müssen: Ende von Rot-Schwarz oder Fortsetzung als Juniorpartner unter Kerns Kanzlerschaft mit dem heuer im Jänner noch mit Mitterlehner nachjustierten Koalitionspakt. Worum es der SPÖ bei der Neubesetzung der schwarzen Spitzenfunktionen geht, brachte der steirische SPÖ-Landeschef Michael Schickhofer am deutlichsten auf den Punkt. Das „Trio infernale“ bestehend aus ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, Innenminister Wolfgang Sobotka und Kurz habe sich in der Volkspartei durchgesetzt. Daher sollten jetzt auch diese „Quertreiber“ die Verantwortung für Österreich übernehmen.

Längst ist alles Wahlkampf

Trotz der noch für drei Wochen laufenden „Mittelschicht“-Kampagne der SPÖ, die Kern mit dem Auftritt als Pizzabote eingeleitet hat; trotz des gezielten Einsatzes von Kern mit Wahlkampfcharakter, ob am Naschmarkt in Wien oder gehäuften Betriebsbesuchen, hat die SPÖ wenig Interesse, dass der Koalitionsbruch jetzt tatsächlich erfolgt und früh im Herbst neu gewählt wird. Das hat nicht nur mit der Befürchtung zu tun, vom Wähler dafür mit einem Denkzettel abgestraft zu werden.

Allerdings will Kern, wie aus den Reihen der Roten zu hören war, die rot-schwarze Koalition unter einer neuen ÖVP-Führung auch „nicht um jeden Preis“ fortsetzen. Vor allem dann nicht, wenn darunter die guten persönlichen Werte von Kern in der Bevölkerung leiden sollten. Zweierlei wird die Kanzlerpartei daher keinesfalls akzeptieren: ein weiteres „Anpatzen“ und Infragestellen der Führungsqualitäten Kerns, wie dies Innenminister Sobotka seit Jänner geradezu zelebriert hat, und ein Hintertreiben und Blockieren der Vorhaben des Koalitionspakts vom Jänner.

Lieber 2018 als heuer im Herbst

Kerns SPÖ möchte jedenfalls erst 2018 wählen. Ein Hauptgrund dafür sind auch die Schwächen der großen Landesparteien in Wien und Niederösterreich. In Wien könnte bis 2018 zumindest intern geklärt werden, wer nun tatsächlich die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl antritt, auch wenn dessen Ablöse erst nach der nächsten Nationalratswahl vollzogen wird. Die marode SPÖ Niederösterreich mit ihrem künftigen Parteichef und Spitzenkandidaten Franz Schnabl benötigt jeden Tag, damit sich der politische Quereinsteiger bis zur Landtagswahl im Frühjahr 2018 profilieren kann und um die Partei auf Vordermann zu bringen.

Ähnliches gilt für Salzburg und Tirol, wo die SPÖ ebenfalls im Frühjahr 2018 jeweils mit neuen Köpfen in Landtagswahlen geht: mit dem Gewerkschafter Walter Steidl in Salzburg und mit Elisabeth Blanik in Tirol. In den betroffenen SPÖ-Landesorganisationen würde man es liebend gern sehen, würde gemeinsam mit dem Bund gewählt, weil die Genossen auf Rückenwind durch Kern hoffen. Genau umgekehrt ist es bei der ÖVP in den Landtagswahlländern.

Die Übernahme des EU-Vorsitzes in der zweiten Hälfte 2018 wird in der Kanzlerpartei nicht als triftiger Grund angesehen, die Nationalratswahl von Herbst 2018 vorzuziehen. Malta habe gezeigt, wie beides unter einen Hut zu bringen sei. Nachsatz: „Malta ist nicht im Mittelmeer versunken.“

Am 17./18. Mai jährt sich zum ersten Mal die Übernahme der Kanzlerschaft durch Kern. Das wird nun allerdings von der ÖVP-Führungsrochade überschattet. Ebenso die nächstwöchigen beiden Plenartage im Parlament. Diese werden nun zur Erklärung über das neue schwarze Regierungsteam genützt. Spannend wird werden, wie sich Rot und Schwarz bei einem Neuwahlantrag am 17./18. Mai verhalten werden. Denn damit ist von Oppositionsseite zu rechnen. (ett)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.