Kern: "Fühle mich nicht irgendwelchen Jobs verpflichtet"

SPÖ-Chef Christian Kern
SPÖ-Chef Christian KernAPA/ROLAND SCHLAGER
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Noch-Bundeskanzler Kern glaubt an eine künftige schwarz-blaue Bundesregierung. Aus der Verantwortung stehlen will er sich aber nicht. Ex-Vizekanzler Spindelegger warnt indes die ÖVP: "Die SPÖ wird alles versuchen, um Kurz zu verhindern."

Die Sozialdemokratie muss das Kanzleramt aller Voraussicht nach elf Jahren wieder räumen. Zwar dürfte sie auf Platz zwei hinter der ÖVP bleiben, ein erfreuliches Ergebnis aus roter Sicht sieht aber freilich anders aus. Parteichef Christian Kern gibt sich am Morgen nach dem Urnengang dennoch optimistisch. Im Land habe es einen "Rechtsruck" gegeben, es sei Aufgabe der SPÖ hier fortan eine Gegenposition aufbauen, betonte er im Ö1-"Morgenjournal". In welcher Rolle - ob als Juniorpartner der Volkspartei, in der Opposition oder doch an der Spitze von Rot-Blau -, werde sich zeigen.

Vorläufiges Endergebnis

Laut dem vorläufigen Endergebnis (ohne Briefwahlstimmen und wahlkreisfremden Wahlkarten) erhält die ÖVP 31,36 Prozent, die FPÖ 27,35, die SPÖ 26,75 Prozent, die Neos 4,96 Prozent und die Liste Peter Pilz 4,14 Prozent. Nicht im Nationalrat wären demnach die Grünen mit 3,32 Prozent.

Allerdings: Nach den Berechnungen der ARGE Wahlen sowie von SORA wird die SPÖ nach der Auszählung der Wahlkarten voraussichtlich die FPÖ noch von Platz zwei verdrängen. Auch die Liste Pilz dürfte noch etwas zulegen. Die Grünen werden trotz prognostiziertem besseren Abschneiden bei den Briefwählern den Einzug aller Voraussicht nach nicht schaffen.

Würde Kern den Vizekanzler unter Sebastian Kurz machen? Ausschließen wollte der 51-Jährige das zumindest nicht. "Wir werden jetzt diskutieren, wie man dieses Wahlergebnis interpretieren muss und dann werden wir die Entscheidungen treffen. Selbstverständlich werden wir uns Gespräche nicht verweigern", sagte er. Man werde sehen, "was das potenzielle Programm ist, das die künftige Regierung umsetzen wird - das ist der einzige Maßstab". Er hege aber "eine gewisse Sorge, dass wir da nicht gleich zusammenkommen werden - das würde schon von beiden Seiten eine ganz erhebliche Kompromissbereitschaft erfordern".

Dass er nun nicht einfach alles hinschmeiße, gründe in seinem Verantwortungsbewusstsein, so Kern weiter: "Wir können uns als staatspolitisch orientierte Partei nicht entziehen." Dass man sich nie aus der Verantwortung gestohlen habe, "liegt in den Genen der SPÖ", meint Kern. Eine rote Regierungsbeteiligung sei dennoch eher unwahrscheinlich, "weil die Überschneidungen im ÖVP- und FPÖ-Programm sind einfach enorm groß". Insofern sei anzunehmen, dass sich Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache "sehr rasch" einig werden.

Machtversessenheit? "Das stimmt einfach nicht"

Mit Machtversessenheit - die er vor 17 Monaten in seiner Antrittsrede als neuer roter Parteiobmann angeprangert hatte - habe sein Verhalten jedenfalls nichts zu tun. "Das stimmt einfach nicht", betont Kern. "Jeder, der meine persönliche Biografie kennt wird doch hoffentlich nicht so verrückt sein, auf die Idee zu kommen, dass ich das zu meinem eigenen, persönlichen Komfort tue - dann hätte ich mich nie in der Politik engagieren dürfen." Er fühle sich den Grundwerten der Sozialdemokratie verpflichtet "und nicht irgendwelchen Jobs und warmen Stuben". Das werde er auch allen klarmachen, verteidigte er einmal mehr das rote (Wahl-)Programm, das auf Kerns "Plan A" fußt.

Die Frage, ob er noch glaube, fest im Chefsattel zu sitzen, nachdem er doch den ersten Platz der SPÖ bei der Nationalratswahl nicht verteidigen konnte, beantwortet Kern mit einem Verweis auf die gestrige rote Wahlfeier. "Die Euphorie ist groß bei uns, ich war selbst überrascht über den Empfang, über die vielen Nachrichten, die ich bekommen habe - das ist ein positives Zeichen." Seiner Ansicht nach sei nun der Zeitpunkt gekommen, die Partei so aufzustellen, "dass wir bei einer nächsten Wahl besser abschneiden können, wieder Erster werden können". Ob das nun ein Köpferollen bedeute? "Da muss man immer vorsichtig sein", so Kern vage.

Pelinka: "Kern ist momentan ungefährdet"

Auch der Politologe Anton Pelinka sieht Kerns Position an der Parteispitze "momentan offenkundig ungefährdet". Immerhin sei es nicht zu einem großen Absturz gekommen, vielmehr sei die SPÖ ungefähr gleich stark geblieben, wie bei der Nationalratswahl 2013, wo sie unter Werner Faymann auf 26,8 Prozent kam. Dennoch sei der deutliche Abstand zu Platz eins - die Volkspartei liegt nach vorläufigem Endergebnis bei 31,36 Prozent - "ein Misserfolg".

Ob Noch-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil an Kerns Stelle treten könnte, sollte sich Schwarz-Rot doch finden lassen? "Wenn die Sozialdemokratie, was unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich ist, sich mit der Volkspartei einigt, dann könnte das eine Variante sein", beantwortet Pelinka im ORF-Radio die Frage. Bei der "noch unwahrscheinlicheren" Variante von Rot-Blau, "würde die SPÖ den Kanzleranspruch stellen und das könnte nicht Christian Kern sein - das wäre die Variante Doskozil". Nicht auszuschließen, so der Politologe, sei eine Teilung der Verantwortlichkeiten: "Zwischen dem Parteivorsitz und der Spitzenposition, sei es Kanzler oder Vizekanzler in der Regierung."

Spindelegger: "SPÖ wird alles tun, um Kurz zu verhindern"

Der frühere Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), der einst Kurz als Integrationsstaatssekretär und dann als Außenminister in die Regierung holte, warnt seine Partei unterdessen vor zu viel Siegessicherheit. Der Sprung ins Kanzleramt sei noch keine "g ’mahde Wiesen". Denn: "Die SPÖ wird alles versuchen, um Kurz zu verhindern", so der einstige Finanzminister im "Kurier" vom Montag.

Auch der frühere ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll mahnt Kurz: "Er muss ruhig ausloten, wie eine mögliche neue Regierung ausschauen könnte." Spindelegger rät zu "Transparenz". Kurz solle die "Öffentlichkeit immer am Laufenden halten".

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(hell)

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