Noch-Klubchef Steinhauser bedauert das schlechte Abschneiden seiner Partei. Heute wollen die Grünen über Personelles informieren. Vermutet wird der Rücktritt von Spitzenkandidatin Lunacek.
Die Chancen der Grünen, doch noch in den Nationalrat einzuziehen, gehen gegen Null. Kein Wunder folglich, dass sich die Partei langsam auf den Auszug aus dem Hohen Haus - samt ihrer Büroräumlichkeiten vorbereitet. Dazu gehört auch, wie berichtet, die Kündigung zahlreicher Mitarbeiter. Ein Schock, den man noch länger nicht verdaut haben werde, betont der grüne Noch-Klubchef Albert Steinhauser am Dienstag im Ö1-„Mittagsjournal". „Die Konsequenzen sind brutal", räumt er ein. „Der grüne Parlamentsklub, die Abgeordneten und 90 Mitarbeiter müssen ihre Arbeit einstellen.“
Grüne Entwicklung seit 1986APA
Die Ursachen lägen auf der Hand, so Steinhauser: „Wir haben diese unnötige Streiterei mit den Jungen Grünen gehabt, dann war die Entzweiung mit Peter Pilz.“ Und letztlich sei dieser dann ja auch „gegen die Grünen“ angetreten. Das alles habe zu einer Negativspirale geführt, die man nicht durchbrechen konnte. Ebenfalls negativ ausgewirkt hätte sich das Dreierduell zwischen ÖVP, SPÖ und FPÖ um den ersten Platz bei der Nationalratswahl. „Da haben wir noch einmal ordentlich an die SPÖ Wähler verloren, aber auch in Richtung ÖVP“, meint Steinhauser.
Im Nachhinein betrachtet, hätte man freilich vieles anders machen müssen. „Aber, es ist eine relativ einfache Geschichte: Hätten wir den Peter Pilz auf Platz vier gewählt, dann wären die Grünen jetzt mit Sicherheit im Nationalrat“, erinnert Steinhauser daran, dass Julian Schmid der Vorrang gegeben wurde, woraufhin Pilz der Partei den Rücken gekehrt hatte. Nun gehe es darum, die Grünen „auf die nächste Phase vorzubereiten“.
Schnellere Personalentscheidung als erwartet
Diese Phase könnte schneller personelle Konsequenzen nach sich ziehen, als bislang gedacht. Zwar hatte die Wiener Grünen-Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Vormittag noch gemeint: „Personelle Konsequenzen müssen zum Schluss kommen und nicht zu Beginn." Rund um den zu Mittag tagenden Bundesvorstand gab es aber andere Informationen: In einer Aussendung luden die Grünen unter dem Titel „Personelles nach dem Bundesvorstand" am späten Nachmittag zu einer Pressekonferenz ein.
Politikexperten gingen zuletzt von einem Rückzug der grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek aus. Die EU-Abgeordnete hatte sich ja schon während des jüngsten Wahlkampfes von ihren Kollegen und Mitarbeitern in Brüssel verabschiedet. Mit dem Ausscheiden der Grünen aus dem Parlament steht Lunacek nun ohne Mandat da. Wie die "Kleine Zeitung" online berichtet, könnte Thomas Waitz der 60-Jährigen demnach im EU-Parlament nachfolgen. Auch Parteichefin Ingrid Felipe geht demnach, ihre Agenden könnte Werner Kogler übernehmen.
Ob sich neben Lunacek auch die Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe von der Doppel-Spitze als Bundessprecherin zurückzieht, war zunächst noch offen. Ihr Parteikollege Georg Willi riet Felipe am Dienstag, sich nach dem Wahldesaster im Bund ganz auf Tirol zu konzentrieren.
Im Wiener Metropol stand am Wahlsonntag eine große Frage im Raum: "Wird sich das ausgehen"? Die Nationalratswahl brachte zwar den erwarteten Sieg von Sebastian Kurz und der ÖVP, wie schwarz der Tag aber für die Grünen ausgehen könnte, kam dann doch überraschend. Seit den ersten Hochrechnungen war es ein Tanz an der Vier-Prozent-Klippe. Eine Reportage von Sabine Hottowy Die Presse
Bei den Grünen heißt es jetzt abwarten bis zur Auszählung der Wahlkarten und damit vermutlich bis Donnerstag, ob sie wieder im Nationalrat vertreten sind. Im Bild: Bundessprecherin Ingrid Felipe bei ihrem ersten Statement auf der Bühne des Metropol Theaters. APA (HELMUT FOHRINGER)
Nach der ersten Hochrechung sprach Bundessprecherin Ingrid Felipe davon, dass sie sich sehr "hart" damit täte, bei einem "demokratisch gewählten Rechtsruck" optimistisch zu bleiben. Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik betonte den sauberen Wahlkampf der Grünen und spielte damit auf die dauerpräsente Dirty-Campaigning-Affäre an. APA (HELMUT FOHRINGER)
Ein Minus von mehr als 8,7 Prozentpunkten schlug sich jedenfalls bei der Wahlparty im Laufe des Abends immer deutlicher auf die Stimmung. Ohne Briefwahl landeten sie am Abend bei traurigen 3,7 Prozent. APA (HELMUT FOHRINGER)
Angesichts der Hochrechnungen, die nun also auf einen Abschied der Grünen aus dem Nationalrat hindeuteten, hat sich auch Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek bestürzt gezeigt. "Ich hoffe, das (der Wiedereinzug, Anm.) wird uns noch gelingen, aber ja, es ist ein Debakel", sagte sie in der ORF-Wahlsendung über die "Zitterpartie". Nun müsse der "Neustartknopf" gedrückt werden. Imago
Lunacek sprach von einer "bitteren Niederlage", an der es nichts zu beschönigen gab. Zu Peter Pilz merkte sie an, dass dieser schon vor dem Bundeskongress der Partei, bei dem er den gewünschten vierten Listenplatz nicht erreicht hatte, seine eigenen Liste vorbereitet habe. Sie bedaure diesen Schritt und auch dessen Konsequenzen. APA (HELMUT FOHRINGER)
Auch wenn es in der Wählergunst offenbar gefehlt hat, wird bei der Wahlfeier in vielen Gesprächen betont, wie viel Respekt der 60-jährigen Ulrike Lunacek entgegen gebracht wird, weil sie ihren Posten der Vizepräsidentin im EU-Parlament für einen "sehr schwierigen Wahlkampf" aufgab. REUTERS
Auf der anderen Seite des Bildschirms, im Metropol, sprach derweil auch Ingrid Felipe ebenfalls über die "Zitterpartie". "Ich bin von dem Ergebnis nicht nur für die Grünen, sondern für Österreich betroffen", sagte sie der "Presse". Im Wahlkampf hätte die Grünen nichts falsch gemacht, "das ist schon tiefer liegender." Die Presse
Felipes nächster Fokus liege nun auf ihrer Heimat Tirol. "Ich möchte gerne bei der nächsten Landtagswahl kandidieren, das ist ungebrochen. Die Aufstellung in der Bundespartei werden wir uns in Ruhe ansehen." imago/Revierfoto
Am Wahlabend sind Analysen der Parteien noch rar, ein augenscheinlicher Grund für den tiefen Fall, ist wohl das grüne Urgestein Peter Pilz, der seiner Partei mit einer eigenen Liste Konkurrenz machte. Die Presse
Bildungssprecher und Klubobmann David Ellensohn dazu: "Jede neue Liste, schadet denen, die schon da sind. Und natürlich ist eine Konkurrenzliste von jenen, die früher bei uns waren, nicht förderlich für das eigene Wahlergebnis. Das alleine ist es aber nicht – wie wir das Bundesergebnis auf Wien herunterbrechen, werden wir sehen. Wir werden genau die Bezirks- und Sprengelergebnisse analysieren." Archivbild von David Ellensohn APA/HERBERT PFARRHOFER
Angst vor einem Koalitionswechsel in Wien hält Ellensohn für unberechtigt: "Die Wiener SPÖ und der aktuelle Bürgermeister und auch der namentlich oft genannte Nachfolger haben ein klares Bekenntnis zu Rot-Grün abgegeben. Außerdem hätte Rot-Schwarz in Wien nur ein Mandat Überhang für notwendige Mehrheiten. Das ist auch gefährlich. Wäre ich die SPÖ würde ich den Wiener Schwarzen keinen Moment vertrauen. Die haben sich im Wahlkampf massiv am Wien-Bashing beteiligt." Die Presse
Für die Grünen nimmt ein hartes Jahr also seinen Lauf. Im Frühjahr trat Bundessprecherin Eva Glawischnig nach achteinhalb Jahren zurück. Mit der Jugendorganisation haben sich die Grünen zerstritten, die Jungen Grünen traten bei der Wahl in Allianz mit der KPÖ an. Auch in Kärnten gab es eine Abspaltung, der Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner und der Kommunikationschef Martin Radjaby-Rasset verabschiedeten sich - und die Partei ging mit der Doppelspitze Lunacek-Felipe in die Wahl. Die Presse
Im Rücken hatten sie ein Rekordergebnis von 12,42 Prozent aus dem Jahr 2013 - jetzt ist der Verbleib im Nationalrat höchst fraglich. Die Presse
Ein schwarzer Sonntag für die Grünen
Da war sie dann also doch noch, die Partystimmung: Als "Prinz Pezi" aka Peter Pilz zu später Stunde im Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz "Wild Thing" anstimmte, feierten seine Anhänger ausgelassen. (Eine Reportage von Stefanie Kompatscher) Stefanie Kompatscher
Die Anspannung der vergangenen Stunden ließ endlich nach. Aber der Reihe nach ... Stefanie Kompatscher
Dass es knapp werden wird, vermuteten viele der Pilz-Anhänger, die sich am späten Nachmittag auf der Wahlparty im 15. Wiener Bezirk einfanden. Für Erheiterung und Häme sorgte der ORF, der draußen vor der Tür warten musste. Weil Alexander Wrabetz einen Brief nicht beantwortete, folgte am Wahltag die Retourkutsche. Stefanie Kompatscher
Von der Bekanntgabe der ersten Umfragen kurz nach 17 Uhr gab es keine Bewegtbilder im Öffentlich-Rechtlichen und auf der Leinwand wurde Puls 4 übertragen. Als die Exit Polls da waren, ging ein Raunen durch den Saal: 3,4 Prozent, das wäre viel zu wenig. Stefanie Kompatscher
Aber zum Glück gab es da noch den ORF. Denn die dort prognostizierten Zahlen vom Institut SORA lagen von Anfang an über vier Prozent. Vielleicht lag es ja daran, dass das ORF-Kamerateam schlussendlich doch noch in die Heiligen Hallen eintreten durfte. Stefanie Kompatscher
Danach folgten Stunden, in denen die meisten Pilz-Anhänger gebannt auf die Leinwand starrten. Jedes Mal, wenn in den Prognosen ein Vierer vor dem Komma stand, fielen sich Menschen in die Arme. Stefanie Kompatscher
Vor Energie sprühte die 28-jährige Stephanie Cox, die nun höchstwahrscheinlich ins Parlament einziehen wird. Die Start-up-Aktivistin sieht in der Liste Pilz die Möglichkeit, dass Experten aus der Bevölkerung ihre Anliegen im Parlament vertreten können. Ihren Schwerpunkt will sie auf das Thema Digitalisierung legen. Stefanie Kompatscher
Im Gastgarten wurde einstweilen bei Bier politisiert. Thema Nummer eins war das desaströse Abschneiden der Grünen. Ab und zu war zwar etwas Schadenfreude zu vernehmen, die meisten Anhänger hätten Pilz' langjähriger Partei aber den Einzug ins Parlament gewünscht. Stefanie Kompatscher
"Die Grünen müssen im Parlament sein", sagt auch Wolfgang Zinggl, der früher genauso wie Pilz für die Grünen im Parlament saß. Mitschuld am schlechten Abschneiden gibt er sich nicht, das sei ihnen schon selbst zuzuschreiben: "Wichtig ist, dass sich sie Grünen erneuern." Stefanie Kompatscher
Ähnlich sieht das der ehemalige Grünen-Budgetsprecher Bruno Rossmann: "Sie haben Fehler gemacht und das auch selbst gesagt und nun hat der Wähler entschieden." Stefanie Kompatscher
Auch dieser Herr hat sich für Pilz entschieden. Seine Wahl begründete er so: "Als Wähler ist man es ja gewöhnt, als blöd verkauft zu werden. Aber nicht als saublöd." Er hofft, dass Peter Pilz Schwarz-Blau die Stirn bietet. Stefanie Kompatscher
Und das will der Spitzenkandidat, der kurz vor 22 Uhr mit "Ja, es geht"-Rufen empfangen wurde, auch tun: "Wenn ihr ins Parlament kommt, wir sind schon da und warten auf euch", richtete Pilz an "Kanzler"Sebastian Kurz" und "Innenminister Heinz-Christian Strache" aus. APA/ROLAND SCHLAGER
Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Pilz seinen Mitstreitern - von Alfred Noll über Renee Schroeder bis hin zu Ex-SPÖ-Mandatarin Daniela Holzinger - für ihren Einsatz dankte. APA/ROLAND SCHLAGER
Der Name Peter Pilz soll übrigens nicht beibehalten werden, hieß es am Abend. Ob die Bewegung (Partei will man schließlich keine sein) tatsächlich mehr als eine One-Man-Show ist, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen. APA/ROLAND SCHLAGER
Liste Peter Pilz: "Prinz Pezis" großer Auftritt
Nationalratswahl 2017
Detailergebnisse zu Bundesländern, Bezirken und Gemeinden sowie Wahlbeteiligung, Mandatsverteilung, Koalitionsrechner und Wählerstromanalyse finden Sie im "Presse"-Wahlcenter.
Alle Reaktionen, Kommentare, Reportagen und Analysen zur Nationalratswahl 2017 auf www.diepresse.com/wahl17
Es geht um das Thema Schulden sowie den Abbau der mehr als 100 Mitarbeiter. Außerdem wird sich Interims-Parteichef Kogler offiziell das Mandat für seine Funktion holen.
Der langjährige Grüne legt in seiner Kritik an der Partei nach. Diese habe nun Schulden, aber keine Mitarbeiter - weil man sie zu einem "Kartenhaus gemacht" habe. Und er fragt: Wer soll nun reparieren, "was Ihr zerstört habt"?
Der interimistische Chef der Grünen kündigt Aufräumarbeiten in seiner Partei an. Denn: "Jetzt ist mal so richtig Krise." Die Bundesgrünen hätten "total versagt", räumt er ein. Ein erster Schritt sei nun der erweiterte Bundesvorstand am Freitag.
"Da hat sich bei vielen ein Ton eingeschlichen, wo uns die Leute gesagt haben, die hören uns nicht mehr zu, die wollen uns belehren, die haben den Zeigefinger eingebaut", sagt der ehemalige Bundessprecher der Grünen selbstkritisch.