Regierungsverhandlungen

Strache tendiert nun doch zur ÖVP

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Aus Sicht der FPÖ-Spitze spricht derzeit mehr für eine Koalition mit Sebastian Kurz: Inhaltlich steht man sich näher. Der Wählerwille ist eindeutig. Und die SPÖ scheint heillos zerstritten.

Wien. Die heftig umworbene FPÖ hat sich offenbar früher entschieden, als die potenziellen Koalitionspartner angenommen haben. Und zwar für die ÖVP. Am Tag nach der Sitzung der Parteigremien sprach sich FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zwar nicht dezidiert für Schwarz-Blau aus, ließ aber recht deutlich eine Präferenz in diese Richtung erkennen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Als ersten nannte er die zerstrittene SPÖ.

Er könne die Frage, mit wem er lieber regieren würde, zumindest teilweise beantworten: In der SPÖ gebe es nach wie vor einen aufrechten Parteitagsbeschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ. Unter diesen Voraussetzungen sehe er keine Möglichkeit für eine Zusammenarbeit. Außerdem habe Bundeskanzler Christian Kern versprochen, als Zweiter in Opposition zu gehen.

Das Hauptmotiv für Schwarz-Blau sind aber inhaltliche Überschneidungen. Die FPÖ wolle nicht um jeden Preis in die Regierung – in einem Koalitionspakt müssten 50 Prozent „freiheitliche Inhalte“ stehen, sagte Strache. Und mit dieser ÖVP sei vielleicht sogar mehr möglich. Gegen jene Forderungen, die der FPÖ-Chef am Mittwoch erhoben hat, dürfte Sebastian Kurz jedenfalls wenig bis keine Einwände haben: Die FPÖ will Grenzkontrollen in Österreich, „solange die EU-Außengrenzen nicht entsprechend geschützt sind“. Sie verlangt eine rasche „Außerlandesbringung“ von Illegalen, Maßnahmen gegen die „Islamisierung“ sowie Steuerentlastungen, allen voran die Abschaffung der kalten Progression. Und beim FPÖ-Schlager „mehr direkte Demokratie“ wird sich wohl der eine oder andere Kompromiss finden.

Auch der Wählerwille spricht aus Sicht der FPÖ-Spitze für die ÖVP. Eine Untersuchung der Sozialwissenschaftler Fritz Plasser und Franz Sommer hat ergeben, dass sich 53 Prozent der FPÖ-Wähler Blau-Schwarz, weitere 26 Prozent Schwarz-Blau wünschen. Für eine Verbindung mit der SPÖ sind nur neun Prozent. Strache betonte am Mittwoch, dass die ÖVP am meisten (7,5 Prozentpunkte) und die FPÖ am zweitmeisten (5,5) dazugewonnen habe. Daraus lasse sich ein „starker Wunsch nach Veränderung“ ableiten.

Wesentliche Teile seiner Partei weiß der FPÖ-Chef, der erneut mit Vizeparteichef Norbert Hofer und Generalsekretär Herbert Kickl aufgetreten ist, mittlerweile hinter sich. Mit der ÖVP gebe es „viel mehr Schnittmengen“, meinte der Tiroler Landesparteichef, Markus Abzwerger, gestern. Auch die Oberösterreicher, die auf Landesebene mit der ÖVP regieren, und die Steirer sind für Schwarz-Blau. Parteichef in Wien ist Strache selbst. Dagegen ist die Neigungsgruppe Rot-Blau, vertreten durch das Burgenland und Teile Kärntens, eindeutig in der Unterzahl.

Die FPÖ versucht den Imagewandel

Die FPÖ sieht nun Sebastian Kurz am Zug. In den nächsten Tagen werde sich zeigen, „ob er mit der SPÖ oder mit uns Koalitionsverhandlungen aufnehmen möchte“, sagte Strache. „Es wäre gescheit, sich für uns zu entscheiden. Wir sind zu Gesprächen bereit – zu ernsthaften Gesprächen auf Augenhöhe.“

Bereits im Vorfeld scheint die FPÖ-Führung penibelst darauf bedacht, ihr durch Korruptionsvorwürfe belastetes Image der schwarz-blauen Nullerjahre abzuschütteln. Immer wieder sprach der Parteiobmann gestern von Anstand. Das Wahlkampfmotto Fairness gelte auch für allfällige Koalitionsgespräche, Parallelverhandlungen werde es keine geben – und unmoralische Angebote lehne man grundsätzlich ab. So werde man bestimmt nicht, wie in einigen Medien kolportiert, mehrere Ministerien hergeben, um dafür den ersten Nationalratspräsidenten zu bekommen. „Selbstverständlich soll die stimmenstärkste Partei weiterhin den Parlamentspräsidenten stellen.“ Als Koalitionsbedingung nannte Strache erneut das Innenministerium, während aus Tirol die Forderung nach dem Justizministerium kam. Als weitere Wunschressorts der FPÖ gelten die Finanzen, die Landesverteidigung und – für Norbert Hofer oder Herbert Kickl – das Sozialministerium. Hofer ist allerdings auch als Klubobmann im Gespräch.

Am Mittwochnachmittag war Heinz-Christian Strache in der Hofburg. Gesprächsinhalte blieben geheim, aber die FPÖ hatte vorab klargestellt, was sie vom Bundespräsidenten erwartet: Er solle sich nicht in Koalitionsverhandlungen einmischen. Alexander Van der Bellen hätte dem Vernehmen nach keine Freude mit einem FPÖ-Außenminister. Diese Zensur, so Strache, stehe ihm nicht zu.

Auf einen Blick

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat bei einer Pressekonferenz am Mittwoch Präferenzen für eine Koalition mit der ÖVP erkennen lassen. Gegen Rot-Blau spreche der nach wie vor aufrechte Parteitagsbeschluss der SPÖ, wonach es keine Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen geben dürfe. Das Hauptmotiv für Schwarz-Blau sind aber die inhaltlichen Überschneidungen. Noch am Sonntag meinten FPÖ-Politiker, allen voran Strache selbst, dass mehr als 60 Prozent der Österreicher für ein FPÖ-Programm gestimmt hätten.

Titel: Nationalratswahl 2017

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2017)

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