Fall Böhmermann: Merkel gesteht "Fehler" ein

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NETHERLANDS-GERMANY-ASML(c) APA/AFP/ANP (ROBIN VAN LONKHUIJSEN)
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Die deutsche Bundeskanzlerin ärgert sich, dass sie das Schmähgedicht des Statirikers als "bewusst verletzend" bezeichnet hat.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen "Fehler" im Umgang mit der Affäre um das umstrittene Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan eingeräumt. Die Ermächtigung für Ermittlungen gegen Böhmermann sei richtig, aber sie ärgere sich darüber, dass sie vorher das Gedicht als "bewusst verletzend" bezeichnet habe, sagte Merkel am Freitag in Berlin.

Damit sei der Eindruck entstanden, dass ihre persönliche Bewertung etwas zähle: "Das war im Rückblick betrachtet ein Fehler." Ihre Aussage habe zu dem Eindruck geführt, "Meinungsfreiheit sei nicht mehr wichtig, Pressefreiheit sei nicht mehr wichtig".

Ihr seien diese Grundrechte aber wichtig. "Und das leitet mich bei allen Gesprächen", betonte Merkel. Kritiker hatten Merkel in der Affäre einen Kniefall vor Erdogan wegen des EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei vorgeworfen.

Merkel steht auf falscher Seite

Merkel wird am Samstag gemeinsam mit dem EU-Ratspräsidenten Donald Tusk in der türkischen Stadt Gaziantep erwartet. Dabei geht es um den EU-Türkei-Flüchtlingspakt. Ob Merkel mit Erdogan über Meinungs- und Pressefreiheit sprechen wird, ist ungewiss. Die Türkei liegt in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (ROG) auf Platz 151 von 180 Staaten.

Der Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, wirft der deutschen Kanzlerin vor, zu den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu schweigen. "In der Türkei herrscht ein Kampf zwischen Demokraten und Autokraten", schrieb Dündar dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zufolge in einem offenen Brief. "In dieser historischen Schlacht stehen Sie und Ihr Land leider auf der falschen Seite."

Dündar droht eine lebenslange Haftstrafe, weil er über angebliche türkische Waffenlieferungen an syrische Islamisten berichtet hat.

Kurdische Gemeinde kritisiert Besuch in Gaziantep 

Die Kurdische Gemeinde in Deutschland (KGD) kritisierte, dass Merkel ausgerechnet nach Gaziantep fahre. Die Stadt sei das türkische Logistik- und Finanzzentrum der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), erklärte die KGD am Freitag. Die Türkei befinde sich faktisch "im Krieg gegen die eigene kurdische Bevölkerung". Merkel solle lieber nach Diyarbakir fahren, denn in dieser türkischen Kurdenregion baue sich "die neue Flüchtlingswelle in Richtung Europa" auf.

Paragraf wird gestrichen

Im Zuge der Affäre hat die Regierung angekündigt, den Paragrafen 103 zu streichen, der eine Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt.

(APA/AFP)

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