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Nas in Wien: Ja, Hip-Hop lebt!

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nas hiphop open(c) Pinie Wang
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Der New Yorker Rapper Nas begeisterte bei der Premiere des Hip-Hop Open in der Wiener Arena; Left Boy brach sein Konzert ab.

Es gibt für alles ein erstes Mal. So fand am Freitagabend in der beinahe ausverkauften Wiener Arena erstmals das Hip-Hop Open Austria  – ein Ableger des bekannten deutschen Rap-Festivals – statt. Der 40-jährige New Yorker Rapper Nas, der das 20-jährige Jubiläum seines Albums „Illmatic“ zelebrierte, feierte seine späte Österreich-Premiere. Und Wahl-New Yorker Left Boy, der Ko-Headliner des Abends (im Vorprogramm traten unter anderem auch Blumentopf und Hilltop Hoods auf), musste erstmals ein Konzert abbrechen. Er hatte zwar viele junge Besucher in Röhrenjeans und bunten Wollmützen angelockt. Die puristischen Genre-Fans, die ihrem Dresscode über die Jahre hinweg treu geblieben sind, hatten mit seinem überdrehten, Pop-lastigen Auftritt aber ihre liebe Not. Left Boy zog – mit mehreren Tänzern, die wie ein Schwarm Bienen an ihm hangen – seine Linie durch, Hiphop-Festival, hin oder her. Er rappte über „Jump Around“ von House Of Pain, aber auch über Britpop-Hadern („Wonderwall“) und Weihnachtslieder („All I want for Christmas is you“). Buhrufe. Mittelfinger. Eine aufgeheizte Atmosphäre. Left Boy traute seinen Augen und Ohren nicht. „Das ist mir noch nie passiert“, sagte er auf Englisch, forderte das gespaltene Publikum auf, nur noch ihr Missfallen zu bekunden.

Fluch der Karibik und alte Schule

Mit dem Klassik-Crossover „Time to say goodbye“ verabschiedete er sich, um zu den Klängen der Filmmusik von „Fluch der Karibik“ zurückzukehren. Die Zugabe war offenbar zu viel für so manchen Besucher ohne Kinderstube: Es flogen Getränke und andere Gegenstände. Left Boy war entnervt und brach das Konzert ab. „Ihr wollt also Nas sehen?“ So war es. Pünktlich betrat der amerikanische Hip-Hop-Gigant um 21.40 Uhr die Freiluftbühne. Andere Protagonisten des Sprechgesangs brauchen ihre Background-Rapper, Nas' Auftritt ist alte Schule: Two Turntables and a Microphone. Auch das Set ist strictly oldschool: Das 20 Jahre alte Debütalbum „Illmatic“, das zu den Genre-Meisterwerken der Neunziger zählt, steht am Programm. Ganze Alben aus der Blütezeit live zu spielen, ist ja heute zeitgeistig. Die Punk-Band Offspring tourte etwa mit ihrem erfolgreichen Werk „Smash“ (1994), die Weezer mit ihrem blauen Album aus selbigem Jahr. Geschichtsstunde also auch in der Arena: „I never sleep, cause sleep is the cousin of death“, schallte es bis nach Simmering. Zufriedene Gesichter, leuchtende Augen, in die Höhe gestreckte Zeigefinger, Mitsingen bei „N. Y. State of Mind“, „Life's a Bitch“, „One Love“. Die Textsicherheit wunderte Nas: „1994!“, rief er, „Manche von euch waren ein Jahr alt, als dieses Album veröffentlicht wurde!“ Seine Kommerz-Kritik „Hip-Hop is dead“ aus jüngerer Zeit (2006) spielte er nur kurz an, denn, wie er selbst sagte: „Hip-Hop is alive. Right here.“ Eine Stunde lang. Dann sagte er goodbye – ganz ohne Sarah Brightman und Andrea Bocelli. Und äußerte, wie sich das gehört unter Kollegen, seinen Respekt für Left Boy.

Rap-Renaissance

Respekt auch für die Veranstalter, die die Zeichen der Zeit erkannt haben. Denn Hip-Hop ist allgegenwärtig, ob in Techno-Clubs oder in der Mode. Nun soll er auch in der derzeit Rock- und Elektronik-dominierten Festivalszene eine Renaissance erleben: „Es hat immer wieder Versuche gegeben ein Hip-Hop-Festival auf die Beine zu stellen. Manchmal mehr schlecht als recht. Alleine hätten wir uns nicht getraut, deshalb auch die Zusammenarbeit mit der etablierten Marke“, sagt Filip Potocki von der Arcadia Agency, dem hiesigen Veranstalter. Mit der etablierten Marke ist das Mixery Hip-Hop Open in Stuttgart gemeint, dass 2000 erstmals stattfand. Die Mutter-Veranstaltung hatte zwischenzeitlich mit einem Besucherrückgang zu kämpfen. Heuer waren Nas und der Indie-Rapper Casper aber Publikumsmagneten. Letzterer begeisterte bereits mehrmals in Österreich, zuletzt beim Nova Rock, einer traditionellen Metall-Hochburg. Ja, Hip-Hop lebt. Sogar in Genre-fremden Gefilden. Umso sinnvoller ist es, dass für das kommende Jahr eine Fortsetzung des neuen Rap-Festivals in Wien geplant ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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