Jugend: Die "Krocha" sind tot, lang leben die "Lohas"!

Die Zeit der Jugendkultur
Die Zeit der Jugendkultur "Krocha" scheint zu Ende.(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Das Ende der Neonkappen: Die Jugendszene der "Krocha" verschwindet, neue Jugend-Trends weisen in Richtung Sport, Fitness und Nachhaltigkeit. Drei von vier Jugendlichen gehören einer Szene an.

Eben noch geisterte sie durch die Discos, die U-Bahnen und die Medien, nun verschwindet sie schon wieder in der Bedeutungslosigkeit: die Jugendszene der "Krocha", der neonkappen-bestückten Disco-Kultur. Die mehr oder weniger neuen Szenen heißen "Snowboarder", "Lohas" oder "Fitness-Szene", erzählte Jugendforscher Manfred Zentner. Dabei gibt es zwischen den Geschlechtern starke Unterschiede: Klar männlich dominiert sind die Fußballer und Computerszene. Mädchen findet man dafür häufiger in der Fitness-Szene, bei den Beachvolleyballern und unter den Ökos oder Alternativen.

Die Zeit der "Krocha"-Szene ist abgelaufen, sagt Zentner: "Sie werden sich nicht lange halten können. Entwickelt haben sich die 'Krocha' aus einem Unterschicht-Milieu, das schön sein wollte, sich aber die 'House'-Szene nicht leisten konnte", sagte Zentner. "Der Punkt ist, dass sich niemand mit der Unterschicht identifizieren will. Die Gruppe wird nicht wachsen", meinte der Experte.

"Snowboarder" als größte Gruppe

Die deutlich größte Szene in Österreich sind die "Snowboarder". "Einfach weil es cool ist", meinte Zentner. Jeder zweite Jugendliche findet die "Snowboarder"-Szene sympathisch. Um die Szene gut zu finden, muss man den Sport aber nicht selbst betreiben. Snowboarden ist eine Weltanschauung.

Übergreifend ist auch die "House"-Szene, die von außenstehenden Jugendlichen als "Schicki-Micki-Partie" bezeichnet wird. "Wer es sich leisten kann, ist dabei", so der Jugendforscher.

Trends: Fitness und Nachhaltigkeit

Die am schnellsten wachsende Gruppe ist hierzulande die "Fitness"-Szene: Ihre Anhänger sind sehr körperbezogen, es geht ums Schönsein, auf das Äußere wird sehr viel Wert gelegt. "Die Jugendlichen erwarten sich dadurch Anerkennung in der Gesellschaft. Sie glauben, dass man mit gutem Aussehen in der Gesellschaft weiterkommen kann", meinte Zentner. Anders als man vermuten würde, ist die "Fitness"-Szene aber keine Gesundheitsszene. In dieser Gruppe sei die höchste Bereitschaft für Schönheitsoperationen vorhanden, zeigen Befragungen des Instituts für Jugendkulturforschung. Ebenfalls niedrig sei die Hemmschwelle, Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen.

Im Kommen sind in Österreich die "Lohas" (von "Lifestyle of Health and Sustainability", also "Lebensstil der Gesundheit und Nachhaltigkeit"). "Diese Leute sind bereit, Geld auszugeben und wollen gesund leben", sagte der Jugendforscher. "'Lohas' laufen aber nicht in Birkenstockschlapfen herum, sie schauen eher aus wie 'House'-Typen, sind über 20 Jahre alt und können sich ihren Lebensstil leisten." Beim Kleiderkauf machen sie sich Gedanken, wo diese hergestellt wurden. "Lohas" konsumieren gerne, haben aber keine radikalen Weltansichten. "Sie sollen nicht verzichten, um die Welt zu retten. Sondern meinen, das auch anders lösen zu können", erklärte Zentner.

Drei Viertel aller Jugendlichen in Szenen

Szenen sind fixer Bestandteil der Jugendphase mit der Heranwachsende demonstrativ ihrer Umwelt signalisieren: "Ich bin kein Kind mehr, ab jetzt bin ich Jugendlicher", analysierten die Jugendforscher Beate Grossegger und Bernhard Heinzlmaier im "Jugendkultur Guide" von 2004. War die Jugend in den 60er oder 70er Jahren rebellisch und auf Provokation aus, hat sich die Jugendkultur heute zu einer Freizeitwelt mit vielen Szenen gewandelt. Vom offensiv geführten Kulturkampf gegen die Eltern ist die radikale Opposition zur Gesellschaft nur mehr in wenigen kleinen Jugendszenen ein Thema. Das soziale Netzwerk mit Gleichaltrigen ist für Jugendliche so etwas wie eine Begleitinstanz auf der Suche nach sich und der Welt, so Grossegger und Heinzlmaier.

Szenen werden auch in dem Maße wichtiger, in dem die traditionellen Institutionen wie Politik und Kirche an Bedeutung verlieren. Gleichzeitig sind sie Orientierungssysteme. Jugendszenen sind soziale Welten und formieren sich um Themen, die für Jugendliche attraktiv sind: allem voran um Musik, Funsport und Medien. Drei von vier Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren gehören in Österreich einer Szene an.

Kleinstädtisches Phänomen

Jugendszenen sind ein urbanes Phänomen. "In der Stadt gibt es mehr Auswahl als am Land. Snowboarder findet man dennoch mehr am Land, sie tragen aber nicht täglich ihr Burton-Gewand, weil sie sich nicht abschotten wollen und auch zu anderen Veranstaltungen gehen müssen", sagte Zentner. Interessant ist aber, dass die Selbsteinschätzung der Szenenzugehörigkeit in Klein- und Mittelstädten am stärksten ist.

Um zur Szene dazuzugehören, braucht es ehrliches engagiertes Interesse. Wer nur so tut als ob, wird als "Poser" (oder Angeber) entlarvt. Hat man genug vom Szeneleben, steigt man einfach wieder aus. Soziale Barrieren nach Herkunft oder Bildung gibt es kaum. Aber: Geld ist dennoch wichtig, denn Szene-Klamotten bestimmter Marken, Konzertkarten oder MP3-Player sind nicht billig.

(APA/Red.)

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