Misshandlungsvorwürfe: UNO-Kritik an Österreichs Polizei

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SymbolbildAPA/HERBERT P. OCZERET
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Das Anti-Folter-Komitee der UNO ist "besorgt" über die "extrem niedrige Zahl an Anklagen" nach Misshandlungsvorwürfen gegen die österreichische Polizei - und fordert unabhängige Ermittlungen.

Das UNO-Komitee gegen Folter kritisiert das aus seiner Sicht offenbar zu laxe Vorgehen der Polizei gegen Misshandlungsvorwürfe in den eigenen Reihen. In seinem aktuellen Österreich-Bericht, der am Donnerstag passend zum tag der Menschenrechte veröffentlicht wurde, fordert das in Genf angesiedelte Gremium eine unabhängige Ermittlungsbehörde. Derzeit ermittelt die Polizei in solchen Fällen gegen sich selbst. Kritisiert werden zudem die Zustände in Traiskirchen im Sommer.

Für die Ermittlungen nach Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei fordert das Komitee eine unabhängige Einrichtung. Derzeit geht in Wien in der Regel das "Büro für besondere Ermittlungen" Vorwürfen gegen Polizisten nach - die Polizei ermittelt also gegen sich selbst. Im Innenministerium hieß es dazu am Donnerstag, dass es der Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens frei stehe, etwa auch das außerhalb der Polizei-Struktur stehende Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung mit den Ermittlungen zu betrauen. Nach Schusswaffengebrauch ermittle zudem routinemäßig die Polizei eines anderen Bundeslandes.

Geringe Zahl an Verurteilungen als Problem

Schlagzeilen gemacht hat der Umgang der Polizei mit Misshandlungsvorwürfen zuletzt im März, als das Video eines massiven Polizeiübergriffs auf eine Wienerin in der Silvesternacht publik wurde. Zur Verteidigung seiner Behörde führte der Sprecher der Wiener Polizei damals die Tatsache an, dass es 2014 bei 250 Misshandlungsvorwürfen keine einzige Verurteilung gegeben habe.

Die Anti-Folter-Experten der UNO interpretieren diese Zahlen offenbar anders und werten die geringe Zahl an Verurteilungen als Problem. Im Bericht zeigen sie sich "besorgt" über die Diskrepanz zwischen der großen Zahl an Folter- und Misshandlungsvorwürfen und der "extrem niedrigen Zahl an Anklagen und Verurteilungen". Außerdem kritisiert das Komitee den Mangel an Informationen über staatliche Entschädigungszahlungen.

Neben einer unabhängigen Ermittlungsbehörde fordert der Bericht auch eine höhere Mindeststrafe bei Folter (derzeit ein bis zehn Jahre Haft) und mehr Bewusstseinsbildung bei Polizei, Justizwache, Richtern und Staatsanwälten. Außerdem kritisiert der Bericht, dass die Polizei nicht verpflichtet ist, mit der Befragung eines Verdächtigen auf das Eintreffen seines Anwalts zu warten.

Zustände in Traiskirchen und überfüllte Gefängnisse

Die Anstrengungen zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlingskrise werden in dem Bericht des UN-Komitees zwar anerkannt, "armselige Lebensbedingungen in einigen Transitquartieren" aber kritisiert - insbesondere auch die Zustände in Traiskirchen, wo im Sommer Hunderte Flüchtlinge unter freiem Himmel schlafen mussten. Kritik gibt es auch an der aus Sicht des Komitees zu oft verhängten Schubhaft.

Kritik gibt es auch an den Zuständen in heimischen Gefängnissen: zehn von 27 Haftanstalten seien überfüllt, die Resozialisierung durch Personalmangel gefährdet. Gefordert wird außerdem die Verpflichtung, Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie und in sozialen Wohlfahrtseinrichtungen (z.B. Altenheimen, Anm.) zu dokumentieren.

Bis 9. Dezember 2016 erwartet das Anti-Folter-Komitee einen Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Empfehlungen.

Grüne für unabhängige Ermittlungen

Die Grünen forderten nach Veröffentlichung des Berichts am Donnerstag eine "unabhängige, nicht in der Polizei verhaftete Stelle" zur Ermittlung bei Vorwürfen gegen Polizisten. "Dass es Probleme mit dem Umgang von Misshandlungsvorwürfen gegenüber der Polizei gibt, weil diese im derzeitigen System oft weggeleugnet werden, ist seit Jahren offensichtlich", kritisierte die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun in einer Aussendung.

Im Fall der (oben erwähnten) schwer verletzten Wienerin hätte die Frau selbst nach Beweismaterial (ein Überwachungsvideo, Anm.) suchen musste. "Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass eine Behörde nicht Vorwürfe gegen sich selbst untersucht - das ist so, als würde man Beschuldigten die Aufklärung der vermeintlich von ihnen begangenen Straftat übertragen", so Korun.

>> Link Der Österreich-Bericht im Internet

(APA)

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