Deutschlands Innenminister wirft der Polizei vor, "auf Anzeigen gewartet" zu haben. Auch Kölns Bürgermeisterin gerät in die Kritik.
Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln hat der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere deutliche Kritik an der Polizei geübt. Nachdem zunächst der Vorplatz des Hauptbahnhofs geräumt worden sei und es dann die Übergriffe gegeben habe, habe die Polizei "auf Anzeigen gewartet", sagte de Maiziere dem Sender ARD. "So kann die Polizei nicht arbeiten." Überhaupt sei ihm unbegreiflich, warum die Polizei am Neujahrstag verlautbart habe, "es wäre alles friedlich gewesen".
Klar sei: "Wir brauchen eine klare, harte Antwort des Rechtsstaates und wir brauchen Vorsorge, dass so etwas nicht noch einmal geschieht." Denn, so de Maiziere, die Angriffe auf Frauen seien "abscheulich, empörend und nicht hinnehmbar". Zu den mutmaßlichen Tätern meinte der Minister, es dürfe "keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge" geben, zumindest nicht "in diesem Stadium der Ermittlungen". Falls aber "Nordafrikaner" die Täter gewesen seien, wofür einiges spreche, dürfe es andererseits kein "Tabu" geben und nicht "einfach darüber hinweggeredet" werden, fügte er hinzu.
Laut Polizei liegen mittlerweile mehr als 100 Strafanzeigen vor. Bisher haben die Ermittler aber keine genauen Kenntnisse über die mutmaßlichen Täter. Allerdings gab NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch bekannt, dass drei Verdächtige ermittelt wurden. Festnahmen habe es noch nicht gegeben.
Polizeigewerkschaft verteidigt Einsatz von Köln
"Die Polizei kann nicht immer alle Eventualitäten voraussehen", rechtfertigte indes der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt im WDR 5 den Einsatz in Köln. "Auch bei bester Vorbereitung kann so etwas passieren." Alle wüssten, dass dieses Ereignis in seiner Dimension bisher einmalig gewesen sei. Dass nicht entschiedener gegen organisierte Diebesbanden vorgegangen werde, müsse man der Justiz vorwerfen. "Ich bin auch verwundert darüber, dass man immer erst solche Opfer und solche Szenarien braucht, bis man zu vernünftigen politischen Entscheidungen kommt, nämlich mehr Personal, bessere Technik und hoffentlich auch bald vernünftige Gesetze."
Angesprochen auf die Kritik von de Maiziere, sagte Wendt: "Ich glaube nicht, dass es ein guter Stil ist, wenn der Bundesinnenminister in aller Öffentlichkeit die Landespolizei und die Einsatzleitung dort kritisiert. In dieser Weise pauschal über die Polizei in Köln herzufallen, das ist unanständig." Eher sollte der Minister die Frage beantworten, "wo eigentlich die vielen Bundespolizisten waren, die am Kölner Hauptbahnhof eigentlich auf dem Dienstplan stehen". Diese würden seit Monaten für die Grenzsicherung in Bayern "zweckentfremdet".
Kritik an "Armlänge"-Tipp von Reker
Neben der Polizei geriet unterdessen auch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker in die Kritik. Sie hatte bei einer Pressekonferenz am Dienstag auf die Frage, wie man sich als Frau besser schützen könne, unter anderem gesagt: "Es ist immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft".
Die Reaktionen - etwa bei Twitter unter dem Kennzeichen #einearmlaenge - pendelten zwischen Spott und scharfer Kritik. Ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes schrieb etwa: "Ich könnte platzen! Bekommen Frauen jetzt eine Mitschuld, wenn sie sich nicht an die Verhaltensregeln halten?" Ein anderer kommentierte ironisch: "Banken sollten vielleicht besser #einearmlaenge Abstand von Bankräubern halten."
(APA/Reuters/AFP/dpa)