Wien: Indischer Schubhäftling stirbt nach Hungerstreik

Symbolbild Schubhaft
Symbolbild Schubhaft(c) (Fabry Clemens)
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Am Montagmorgen ist ein 20-jähriger Schubhäftling nach einem Monat Hungerstreik plötzlich verstorben. Zuvor hatte der Amtarzt Haftfähigkeit attestiert. Eine Obduktion soll die Todesursache klären.

Am Montag um 8 Uhr morgens ist ein 20-jährige Schubhäftling im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel aus bisher unbekannter Ursache verstorben. Der indische Staatsbürger Gaganpreet Singh K. war seit 4. August in Schubhaft, am 7. August trat er in Hungerstreik. Eine Obduktion soll die Todesursache klären. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) hat den Tod eines indischen Schubhäftlings am Rande der Regierungsklausur in Salzburg bedauert. Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch kritisierte die "tödliche Härte des österreichischen Schubhaftwesens". Die Caritas zeigte sich in einer ersten Reaktion "betroffen und schockiert".

Noch einen Tag vor seinem Tod, am Sonntag, attestierte ihm der Amtsarzt Haftfähigkeit. Als der Aufsichtsbeamte am Montag um 6.15 Uhr den Schubhäftling weckte, fiel ihm nichts Besonderes auf. Der Beamte haben ihn gefragt, ob er frühstücken wollte, was er verneinte, sagte Oberstleutnant Johann Golob. Gegen 7.15 Uhr brach Ganganpreet Singh K. laut Aussagen von Mithäftlingen in der Zelle zusammen. Reanimationsversuche durch den Amtsarzt und den herbeigerufenen Notarzt verliefen erfolglos.

Chefarzt: "Hungerstreik komplikationsfrei"

Nach derzeitigen ärztlichen Erkenntnissen könne kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen Hungerstreik und Todesursache gefunden werden, teilte die Polizei mit. Eine gerichtsmedizinische Obduktion soll Klarheit schaffen. "Der Hungerstreik verlief an sich komplikationsfrei", betonte Jochen Rausch, stellvertretender Chefarzt des Innenministerium. Gaganpreet Singh K. habe laut den medizinischen Akten nach mehreren Wochen Gewichtsreduktion über einige Tage hinweg insgesamt drei Kilo zugenommen.

Über seinen Gesundheitszustand gebe es eine lückenlose Aufzeichnung der täglichen medizinischen Untersuchungen, die keine Auffälligkeiten zeige, so Rausch. Bei den letzten beiden Arztvorführungen habe der Inder bestimmte Untersuchungen verweigert. Seinen Allgemeinzustand, Puls, Blutdruck, Temperatur und Gewicht habe er allerdings auch da kontrollieren lassen.

2006 illegal eingereist

Gaganpreet Singh K. war laut Polizei 2006 illegal eingereist und hatte um Asyl angesucht. Dieses Gesuch sei heuer rechtskräftig abgelehnt worden, der Bescheid sei mit der Ausweisung verbunden gewesen. Der 20-Jährige sei untergetaucht. Aufgegriffen wurde er am 3. August in Floridsdorf, wo er laut Oberst Josef Zinsberger, Leiter der erst Anfang dieses Monats gegründeten Abteilung für fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Anhaltevollzug, an einem Verkehrsunfall beteiligt war. Ein Tag später wurde die Schubhaft über ihn verhängt.

"Innerhalb der ersten 24 Stunden wurde er auf Haftfähigkeit untersucht", sagte Zinsberger. Das sei zwar keine Gesundenuntersuchung, beinhalte aber bestimmte Parameter, die für die Haftfähigkeit wichtig seien. Bei Gaganpreet Singh K. wurden keine Auffälligkeiten festgestellt, "der war gesund, kann man sagen". Am 7. August trat der 20-Jährige in den Hungerstreik. "Er wurde täglich auf seine Haftfähigkeit untersucht", betonte der Oberst. Der letzte Check erfolgte am Sonntagvormittag. Dabei habe es keine Auffälligkeiten gegeben, die Haftfähigkeit wurde festgestellt, so Zinsberger.

(c) APA

Jeder fünfte Häftling in Hungerstreik

Insgesamt befinden sich derzeit 37 der rund 180 Schubhäftlinge im Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel in Hungerstreik, sagte der Oberst. Warum Gaganpreet Singh K. in den Hungerstreik getreten sei, habe er nicht erklärt. "In der Regel treten Schubhäftlinge in den Hungerstreik, um die Haftunfähigkeit zu erreichen." Dabei gebe es mildere Formen des Streiks und konsequentere. Aufgrund seiner Konstitution nach einem Monat Hungerstreik habe der 20-Jährige eher zu jenen gezählt, welche die "gemäßigtere Form ausüben", sagte Zinsberger. Die Haftunfähigkeit wäre bei einer konsequenten Ausübung - Wasser und sonst nichts - wesentlich früher erreicht worden, so der Beamte.

Der 20-Jährige sei ein völlig unauffälliger Häftling gewesen, betonte Zinsberger. Es gebe keinerlei Einträge, er habe sich völlig ruhig verhalten. Laut Golob habe er regelmäßig Besuch von Verwandten und NGO-Vertretern erhalten. Das sei dokumentiert.

Der Fall löste zahlreiche Reaktionen aus. Die Grünen und "Asyl in Not" haben zu einer Kundgebung vor dem Anhaltezentrum für Dienstag 17 Uhr aufgerufen.

(APA/Red.)

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