Drahtzieher der Terror-Anschläge von Paris tot

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Der belgische Islamist Abdelhamid Abaaoud wurde gestern während eines Anti-Terror-Einsatzes in Saint Denis getötet.

Nach einem Tag des Zweifels ist es nun Gewissheit: Der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge von Paris, Abdelhamid Abaaoud, ist am gestrigen Mittwoch während eines Polizeieinsatzes in Saint Denis getötet worden. Abaaouds Leiche war von Kugeln durchsiebt. Doch die Ermittler konnten Fingerabdrücke nehmen.

Während des Anti-Terror-Einsatzes am Mittwoch in dem Pariser Vorort hatte sich zudem eine Frau in die Luft gesprengt.  Bei der Toten soll es sich Medienberichten zufolge um Hasna A. handeln, eine 26-jährige Cousine von Abaaoud. Französische Medien zitieren Polizeiquellen, dass eine weibliche Verwandte von Abaaoud überwacht wurde, da sie ihm möglicherweise Schutz geben könnte.

Beim IS hieß er "Der Belgier"

Abdelhamid Abaaoud war den Fahndern mehrmals entschlüpft - und er hat sich mehrere Tarnnamen zugelegt. Der 28-jährige Abdelhamid Abaaoud firmiert in Syrien auch als Abou Omar Souissi, als Abu Omar al-Baldshiki oder schlicht als Abou Omar al-Belgiki – als „der Belgier“.

In Syrien hat sich der Sohn eines aus Marokko stammenden Händlers einen Namen als Jihadist gemacht. In Videos posierte er mit Koran und Kalaschnikow, in einem Pick-up zerrte er lächelnd Tote hinter sich her. Seinen 13-jährigen Bruder Younes holte er aus Brüssel in die IS-Terrorhochburg Raqqa. Dabei habe er früher – als Dieb und Drogendealer – nicht einmal die Moschee besucht, erzählte seine Schwester Yasmina. Seine Familie wähnte Abaaoud im Vorjahr bereits für tot. Zu dieser Zeit war er indes wieder auf dem Weg zurück nach Europa, Geheimdienste orteten sein Handy in der Türkei und in Athen.

Wieder Razzien in Belgien

Noch ist aber zumindest ein Attentäter, Salah Abdeslam, auf der Flucht. Zudem wird nach weiteren Hintermännern gesucht. Nicht nur in Paris. Bei einem Anti-Terror-Einsatz hat die Polizei im Großraum Brüssel am Donnerstag wieder mehrere Häuser durchsucht. Nach Informationen der belgischen Nachrichtenagentur Belga handelte es sich dabei um Häuser von Freunden und Familienangehörigen des gesuchten Selbstmordattentäters Bilal Hadfi.

Der 20-jährige Hadfi war einer der Selbstmordattentäter von Paris. Er ist ein französischer Staatsangehöriger, der in Belgien lebte, und soll sich in Syrien dem IS angeschlossen haben. Die Aktion steht nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht direkt mit den jüngsten Anschlägen in Paris in Zusammenhang. Die Untersuchung habe bereits Anfang 2015 begonnen, als Hadfi nach Syrien ausgereist war. Die Fahnder nahmen eine Person fest.

Neuer Anschlag verhindert?

Der Anti-Terror-Einsatz im Pariser Vorort Saint-Denis hat französischen Elitepolizisten zufolge möglicherweise auch einen neuen Anschlag verhindert. Ein terroristisches "Kommando" sei zerschlagen worden, sagte Staatsanwalt Molins. Angesichts der Bewaffnung, der Organisationsstruktur und der Entschlossenheit der "neuen Gruppe von Terroristen" deute alles darauf hin, "dass dieses Kommando zur Tat schreiten konnte" - wobei nun eben bekannt wurde, dass Abaaoud unter den Opfern war.

Die Einsatzkräfte schlugen um 4.20 Uhr morgens zu - stießen aber sofort auf große Probleme, wie Molins sagte: Die Beamten der Spezialeinheit Raid konnten die Sicherheitstür zu der Wohnung zunächst nicht öffnen, was den "Terroristen" Zeit zu reagieren gab. Die Verdächtigen lieferten sich ein rund einstündiges Feuergefecht mit den Beamten, die rund 5000 Kugeln abfeuerten. Die Sondereinheiten hätten "Sturmgewehre, Scharfschützen, Offensivgrananten, Sprengstoff" eingesetzt, sagte Molins. Bei dem "extrem schwierigen" Einsatz wurden fünf Polizisten verletzt. Die Wohnung wurde durch die Explosionen und Schüsse schwer zerstört, sogar der Fußboden brach ein.

Salah Abdeslam immer noch auf der Flucht

Der Anti-Terror-Einsatz ereignete sich fünf Tage nach den Anschlägen von Paris mit 129 Toten und mehr als 350 Verletzten. Am Freitagabend hatten drei Gruppen schwerbewaffneter Attentäter die Konzerthalle Bataclan in der Pariser Innenstadt, eine Reihe von Cafés und Restaurants und das Fußballstadion Stade de France attackiert, das unweit der am Mittwoch gestürmten Wohnung liegt. Sieben Attentäter starben.

Die Polizei sucht mit Hochdruck mindestens einen weiteren mutmaßlichen Angreifer, den 26-jährigen Salah Abdeslam, dessen Bruder unter den Selbstmordattentätern war. Videoaufnahmen deuten zudem auf die Existenz eines neunten Attentäters hin, seine Identität ist noch nicht bekannt.

SMS: "Wir fangen an"

Einige der Attentäter meldeten offenbar mit einer SMS den Beginn ihres Angriffs: In einer Mülltonne vor dem Bataclan wurde laut Molins ein Handy gefunden, mit dem ein Angreifer am Freitagabend eine SMS mit den Worten "Es geht los, wir fangen an" verschickte.

Als Reaktion auf die Anschlagsserie hatte Frankreichs Staatschef François Hollande den Ausnahmezustand verhängen lassen. Am Donnerstag stimmte die Nationalversammlung einer Verlängerung auf drei Monate zu.

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(APA/dpa/AFP/Reuters/Red.)

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