Am 21. Februar setzte sich der Vizechef des libyschen Staatsfonds nach Wien ab - mit einem österreichischen Pass. Ist er Gaddafis Strohmann in Wien?
Ums Geld musste sich Muammar al-Gaddafi in den vergangenen Jahren keine großen Sorgen machen. Aus Libyens Öleinkünften flossen, je nach Preis pro Fass, täglich bis zu 80 Millionen Dollar in seine Privatschatulle. Sein persönliches Spielgeld, das er nach Gutdünken verteilen oder anlegen konnte, betrug pro Jahr also fast 30 Mrd. Dollar (insgesamt lagen Libyens Öleinnahmen zuletzt bei 50 Mrd.). Das erfuhr die „Presse" von einem Ex-Vertrauten des „Revolutionsführers". Aus Angst vor Vergeltung wollte der Informant anonym bleiben.
Sein Vermögen lässt Gaddafi angeblich in etwa 800 Beteiligungen in 73 Ländern rund um die Uhr für sich arbeiten. Das Clearing House dieser weltweiten Finanztransaktionen befinde sich in Luxemburg. Allein in Österreich hätten der Diktator und sein Clan rund 30 Mrd. Dollar veranlagt, schätzt der Insider. Das wäre weitaus mehr als die 1,2 Mrd. Euro libyscher Gelder, die Nationalbankpräsident Ewald Nowotny auf österreichischen Konten unter die Lupe nehmen wollte und zunächst gar nicht dem Regime in Tripolis zuordnen konnte.
Schlüsselmann Mustafa Zarti
In Österreich schaufelten Gaddafi und sein Clan ihr Geld angeblich vor allem in Stiftungen, die wiederum querbeet investierten. Als Eigentümer traten der Diktator und seine acht Kinder dabei nicht in Erscheinung. In jeder größeren Hauptstadt gab es den Insider-Informationen zufolge einen Freund der Familie, der über die Geschäfte wachte. In Wien könnte diese Schlüsselrolle ein Mann namens Mustafa Zarti gespielt haben.
Er gilt als mit Saif al-Islam Gaddafi, dem zweitältesten Sohn des Diktators, befreundet. Gekreuzt hatten sich ihre Wege während ihres Architekturstudiums in Libyen, enger in Kontakt traten sie jedoch erst in Wien. Zartis Bezug zur Stadt war ein familiärer: Sein Vater hatte beim Opec-Fund gearbeitet, Saif wiederum die Imadec-Privat-Uni im 13. Bezirk besucht. Die Bekanntschaft war der Karriere Zartis jedenfalls nicht abträglich; er stieg binnen kürzester Zeit an die Spitze der libyschen Finanz- und Wirtschaftswelt auf. Als Vizegeschäftsführer des Staatsfonds Libyan Investment Authority, LIA, ist er Herr über ein Multimilliardenreich.
Gaddafis Mann für alle Fälle
Doch nicht nur das: Zarti ist gleichzeitig im Vorstand der National Oil Corporation, Chef des Öl- und Tankstellenkonzerns Tamoil, und nebenbei auch noch für den Thunfischfang vor der libyschen Küste zuständig. Ein Mann für alle Fälle. Und auch für Besuche in Wien, wo seine Schwester lebt, findet er immer wieder Zeit. Kümmert sich der Multifunktionär um die Privatgeschäfte der Gaddafis?
Nach dem Sturz seines Vaters Muammar al-Gaddafi setzte er sich ins Nachbarland Niger ab. Das Land hat ihn nun an Libyen ausgeliefert. Der 1973 geborene Saadi besuchte die libysche Militärakademie und hatte den Rang eines Oberst. Nachdem er als Kommandant einer Eliteeinheit Islamisten in Libyen bekämpft hatte, ging er 2003 als Fußballprofi nach Italien. Er stand dort bei mehreren Erstligamannschaften unter Vertrag, kam aber trotz Geldzuwendungen aus Libyen an seine Vereine kaum zum Einsatz. (c) VANDEVILLE ERIC / Eyedea / picturedesk.com (VANDEVILLE ERIC)
Muammar al-Gaddafi (geboren 1942) kam 1969 bei einem unblutigen Miltärputsch in Libyen an die Macht. Bis zu dem Bürgerkrieg 2011 beherrschte der selbsternannte Revolutionsführer das Geschehen in Libyen. Für seine Verwicklungen in Terroranschläge geächtet, wurde er später wieder von internationalen Politikern rehabilitert. Muammar al-Gaddafi wurde am 20. Oktober 2011 bei der Flucht aus seiner Geburtsstadt Sirte gefangen, getötet und an einem unbekannten Ort begraben. (c) EPA (MOHAMED MESSARA)
Saif al-Islam al-Gaddafi (geboren 1972) ist der bekannteste Sohn. Sein Vorname wird mit "Schwert des Islams" übersetzt. Saif Gaddafi galt im Westen lange Zeit als moderater Reformer und Wunsch-Nachfolger auf Muammar al-Gaddafi. Er studierte auch in Österreich und pflegte eine Freundschaft mit Jörg Haider. Während des Umsturzes kämpfte er an der Seite seines Vaters. Im November 2011 wurde er in as-Sintan im Westen Libyens festgenommen. Bis heute ist er dort in Haft. Im Frühjahr begann das erste Gerichtsverfahren gegen ihn. (c) APA (Harald Schneider)
Der vermutlich 1975 geborene Sohn Motassim Billah al-Gaddafi absolvierte eine militärische Ausbildung in Libyen und Ägypten. Nach einem Zerwürfnis mit dem Vater floh er vorübergehend nach Ägypten. Später durfte er in die Heimat zurückkehren und befehligte fortan die einflussreiche Präsidentengarde. Er wurde gemeinsam mit seinem Vater in Sirte gefangen, getötet und an einem unbekannten Ort begraben. (c) EPA (SABRI ELMHEDWI)
Sie ist die zweite Ehefrau Gaddafis und Mutter von sieben seiner acht leiblichen Kinder. Die einstige Krankenschwester heiratet Muammar al-Gaddafi 1971. Sie gilt als diskret, während der Herrschaft Gaddafis hatte sie großen Einfluss. Gemeinsam mit ihrer Tochter Aisha und den Söhnen Muhammad und Hannibal floh sie Ende August 2011 nach Algerien. Im Oktober 2012 erhielten alle Asyl im Oman, wo sie sich noch immer aufhalten. (c) EPA (KHALED EL-FIQI)
Der Gaddafi-Sohn war mehrere Jahre an der Technischen Universität München als Student immatrikuliert, wo er in einer exklusiven Villa wohnte, das Leben mit Alkohol und teuren Autos genoss und mehrfach mit der Justiz in Konflikt geriet, etwa wegen Fahrens ohne Führerschein und Trunkenheit am Steuer. Er wurde Ende April 2011 gemeinsam mit drei von Gaddafis Enkelkindern bei einem Nato-Luftangriff in Tripolis getötet.Bild: Das Haus von Saif-al-Arab nach dem Luftangriff (c) REUTERS (LOUAFI LARBI)
Der jüngste Sohn Gaddafis wurde 1983 geboren. Er kommandierte eine berüchtigte Eliteeinheit und galt als Hardliner. Der UN-Sicherheitsrat warf ihm vor, in die Repression von Demonstrationen verwickelt zu sein. Sein Tod wurde während der Revolte gegen Gaddafi mehrfach vermeldet und hat sich bisher nie bestätigt. (c) imago stock&people (imago stock&people)
Die Gaddafi-Familie
Kümmert sich der Multifunktionär um die Privatgeschäfte der Gaddafis?
Am Nachmittag des 21. Februar, als das libysche Regime bereits heftig wankte, bestieg Zarti nach Informationen der „Presse" in Tripolis eilig eine Maschine der AUA, nahm in der Businessclass Platz und flog nach Wien. Der Insider glaubt, dass Zarti hier sein könnte, um Gaddafi-Gelder flüssig zu machen. Für eine Stellungnahme war Zarti zunächst nicht erreichbar.
Kontensperre beantragt
Man kennt Zarti in Österreich, die einen als lebenslustig und dynamisch („ein guter Typ"), die anderen als zunehmend präpotent. Wie auch immer: Zu befürchten hatte zunächst nichts: Name findet sich auf keiner Sanktionenliste. Gegen ihn liegt auch kein Einreiseverbot vor. Nach Erscheinen des „Presse"-Berichts bat jedoch Außenminister Michael Spindelegger die Nationalbank, sofort die Konton Zartis zu überprüfen und allenfalls zu sperren.
Außerdem besitzt Mustafa Zarti ein Dokument, das ihm in diesen Tagen recht nützlich sein kann, auch bei Geschäftstransaktionen: Der Vizechef von LIA, dem größten Staatsfonds Libyens, hat seit 2006 einen österreichischen Pass (Gültigkeit bis 2016). Dies bestätigten Behörden in Wien gegenüber der „Presse" . Warum er den Pass erhielt, ist unklar.
Mustafa Zarti: Ist er Gadaffis Strohmann in Österreich?(c) First Energy Bank
Trotz seiner zahlreichen Besuche schloss Zarti für den Staatsfonds nie offiziell einen größeren Deal in Österreich ab. Einmal gab es einen Einstieg bei Wienerberger, doch wegen versäumter Fristen blieb es bei einer Promillebeteiligung. Dafür soll die Familie Gaddafi, so erzählt der Ex-Vertraute des Clans, viel Geld auf weniger offensichtlichen Wegen in Österreich investiert haben: in Fabriken, Villen, Wälder, Infrastruktur und verschiedenste Beteiligungen.
Auf einen Blick
Mustafa Zarti(links im Bild) soll als Strohmann für Gaddafi Gelder des libyschen Diktators in Wien angelegt haben. Der Geschäftsmann verfügt seit 2006 auch über einen österreichischen Pass.
Nach jüngsten Zahlen bekam Gaddafi von EU-Staaten zuletzt jedes Jahr Waffen im Wert von mehreren hundert Millionen Euro geliefert. Als Reaktion auf die Unruhen wurde der Waffenhandel ausgesetzt. (c) REUTERS (� Alessandro Bianchi / Reuters)
Lange war Libyen als "Schurkenstaat" isoliert und mit Sanktionen belegt gewesen. 1999 schwor Gaddafi öffentlich dem Terrorismus ab, 2003 kündigte er an, sein Atomprogramm einzustellen. Das Verhältnis zum Westen verbesserte sich - nicht zuletzt, weil Libyen ein wichtiger Öllieferant ist und Ströme illegaler Flüchtlinge nach Europa aufhalten soll. (c) REUTERS (� Irada Humbatova / Reuters)
Die EU empfing den Diktator und sein Gefolge im April 2004 mit offenen Armen. Der damalige Kommissions-Präsident Romano Prodi holte den Gast sogar persönlich vom Flughafen ab - eine Ehre, die nur wenigen Besuchern zuteil wird. Gaddafi ließ in einem Brüsseler Park sein Zelt aufbauen und verkündete: "Libyen ist die Brücke nach Afrika, Libyen ist die Brücke nach Europa". (c) AP (THIERRY CHARLIER)
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lud Gaddafi 2007 nach Paris ein. Die Opposition kritisierte den "Zirkus", der um den Diktator veranstaltet werde. Im Elysee betonte man hingegen den wirtschaftlichen Nutzen: Die mit Libyen geschlossenen Verträge kämen für Frankreich 30.000 Arbeitsplätzen gleich. (c) AP (CHRISTOPHE ENA)
Die guten Beziehungen zu Österreich reichen weit zurück: 1982 lud Bruno Kreisky Gaddafi zu einem viertägigen Staatsbesuch nach Österreich. Ein diplomatischer Drahtseilakt, galt der "Revolutionsführer" damals doch als der "gefährlichste Mann der Welt". Es handelte sich um den ersten offiziellen Besuch in einem westlichen Staat seit über zehn Jahren. Im Gegenzug verlieh Gaddafi 1989 Kreisky den höchsten Orden seines Landes. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)