"Es geht nicht um den ganz Kleinen mit Schweizer-Konto"

Mitterlehner und Faymann in der ORF-Pressestunde
Mitterlehner und Faymann in der ORF-Pressestunde(c) APA, ORF (Milenko Badzic)
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Kanzler Faymann ortete in der ORF-"Pressestunde" eine "gewisse Anerkennung" für die Steuerreform. Vizekanzler Mitterlehner stieß sich an Ratschlägen auf "Kalenderzetteln" und verfolgt "ganz große Beträge".

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) haben Österreich die „größte Steuerreform der Geschichte der Zweiten Republik“ präsentiert. Auf die Verkündung folgt nun die Verteidigung. „Jubelnde Massen braucht es in der Politik nicht“, kommentierte Faymann die Reaktionen auf das geschnürte Fünf-Milliarden-Entlastungspaket am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. „Es ist aber eine gewisse Anerkennung, die ich spüre.“ Man habe vor der Wahl angekündigt, dass den Menschen mehr netto vom Brutto bleiben werde – und das nun geschafft.

„Wir haben Budgetprobleme. Das Geld wächst nicht auf den Bäumen, wie alle wissen“, kommentierte Mitterlehner. „Ich kenne keine Steuerreform, die vom Volumen her mehr bewegt hat“, so Mitterlehner, allerdings gab er zu, im Einzelnen noch nachbessern zu wollen, etwa bei der Grunderwerbssteuer, wo es Abmilderungen für Tourismusbetriebe geben soll. Generell komme es nun auf die nächsten Monate und Jahre an, in denen weitere Reformschritte genommen werden sollen, etwa im Bereich der Pensionen. Aber: „Wir müssen aufhören, Österreich schlecht zu reden oder gesund zu beten.“

Zwischen Pfusch und "ganz großen Beträgen"

Angesprochen auf das Thema Betrugsbekämpfung – hiervon erwartet sich die Regierung rund 1,9 Milliarden Euro -, betonte Faymann, dass hier „einige große Konzerne in Europa Schlupflöcher nutzen, das gehört abgeschafft“. Mitterlehner ergänzte: „Es geht nicht um den ganz Kleinen, der in der Schweiz ein Konto hat, sondern um ganz große Fälle, die ganz große Beträge geben werden.“ Nicht außer Acht lassen dürfe man den Sozialbetrug. „E-Card-Missbrauch und Pfusch ist kein Kavaliersdelikt“, sagt der ÖVP-Chef. Faymann ergänzt: Jeder, der seine Garage mit Pfuschern ausbaue, „wird auch betroffen sein“.

Am Ausdruck der „automatischen Aufhebung des Bankgeheimnisses“, stieß sich der SPÖ-Obmann. „Das klingt, als könnte jeder in die Konten Einblick nehmen – auch der ORF. Das ist nicht so. Es geht um die Finanzprüfer.“ Mitterlehner dagegen kritisierte, dass einzelne Punkte der Reform falsch wiedergegeben würden: „Zur Grunderwerbssteuer: Habe ich ein Haus im Wert von 400.000 Euro und übergebe es einmal im Leben in der Familie, werden ungefähr 4000 Euro fällig, nicht mehr.“ Auch an „Wunschzetteln“ diverser Experten, etwa mit Hinweisen auf Einsparungspotenzial in Sachen Förderwesen, stieß sich der Wissenschafts- und Wirtschaftsminister, während er einen Artikel der „Presse“ in die Kamera hielt: „Ich lade alle Experten, die auf Kalenderzetteln scheinbar alles wissen, ein, uns zu schreiben, wo Sie konkret Potenzial sehen.“ Allerdings sei zu bedenken: „Wir haben Kinderbetreuungsgeld, die Schweizer null. Wir haben die Forschungsförderung, die Spitäler fallen hier herein.“ Unternehmen selbst würden kaum etwas bekommen.

"Kleinirgendwas, halte ich für problematisch"

Von ORF-Moderator Hans Bürger darauf angesprochen, dass manche europäische Medien Österreich schon als „Kleingriechenland mitten in Europa“ titulieren würden, meinte Mitterlehner, das Land sei, etwa in puncto Wirtschaft, „gut aufgestellt“. Zu sagen, „Kleinirgendwas, halte ich für problematisch“. Faymann verwies auf die Vorzüge der Republik: Österreich sei eines der wenigen Länder der Eurozone, das beim strukturellen Defizit ganz nahe bei der Nulllinie stehe. Sein Fazit: „Wir gehören schon zu den stabilen Ländern.“

Die Frage, ob er schon einen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl im Kopf habe, beantwortete Mitterlehner mit „ja“. Verraten wolle er den Namen aber noch nicht. Faymann meinte indes, seine Partei werde sich dem Thema „Ende des Jahres“ widmen. 

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