Der Vizekanzler und ÖVP-Chef hat seinen Rückzug aus allen politischen Funktionen verkündet. Der Parteivorstand berät morgen über Prölls Nachfolge. Wird Außenminister Spindelegger Parteichef?
Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) zieht sich aus allen politischen Funktionen zurück. Das gab er am Mittwochvormittag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt.
"Ich habe mich nicht gegen die Politik entschieden, aber für meine Gesundheit und meine Familie", sagte der ÖVP-Chef. Seine Lungenembolie Mitte März sei "ein Warnschuss und eine Zäsur in meinem Leben" gewesen. Er habe sich intensiv mit seinen Ärzten beraten, erklärte Pröll. Seine gesundheitliche Situation sei mit engagierter Spitzenpolitik nicht vereinbar: Für die großen Aufgaben der Zukunft "bräuchte ich heute noch mehr Kraft, und nicht weniger".
"Es war eine spannende Zeit", sagte Pröll über die vergangenen Jahre. Man habe viel erreicht, vor allem die Bewältigung der Wirtschaftskrise. "Ich verlasse die Politik mit Dankbarkeit".
Pröll sprach indirekt auch die jüngsten Skandale in der ÖVP - Stichwort Ernst Strasser und Lobbyismus - an. Es gebe einen "Mangel an Anstand einzelner Politiker", auch in der ÖVP. "Keine Partei kann ein derartiges Verhalten dulden". Er beklagte außerdem den "Stillstand in wesentlichen Zukunftsfragen". Dieser stelle das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik infrage.
Josef Pröll tritt zurück. Bei seinem Antritt als ÖVP-Chef galt der Niederösterreicher als Kanzler-Hoffnung. Nun ist der schwarze Traum geplatzt: Nach innerparteilichen Turbulenzen und einer Erkrankung beendet Pröll seine politische Karriere. (c) Dapd (Hans Punz) Mit dem Fall Wilhelm Molterers war dann seine Chance für einen Sprung an die Parteispitze gekommen. Am Tag nach der Nationalratswahl 2008, bei der die ÖVP herbe Verluste einstecken musste, wurde Pröll zum neuen Parteichef gekürt. (c) Clemens Fabry Die Welt des Sepp Pröll schien schwer in Ordnung. Von den Medien zum Schattenkanzler hoch stilisiert inszenierte sich der Finanzminister selbst mit einer Art Rede an die Nation, wo er mit dem Transferkonto ein Thema setzte, mit dem er wochenlang die Schlagzeilen mitdominierte. Stimmen aus der ÖVP, wonach man als Vizekanzler in einer Regierung zum Scheitern verurteilt sei, verstummten. (c) Dapd (Kerstin Joensson) Doch die Zeiten ändern sich. Die Wirtschaftskrise inklusive Bankenrettungspaket kratzte Pröll weniger an als das Comeback des Kanzlers. Mit dessen sozialer Gerechtigkeitskampagne geriet Pröll in die Defensive. Der Finanzminister stand plötzlich nur noch als Verkünder düsterer Sparpakete da, der Kanzler ging bei allem in Deckung, was irgendwie unangenehm klang. Hinzu kam ein schlechtes Wahljahr 2010 - die Steiermark wurde nicht zurückerobert, in Wien ging es so tief wie nie und auch das Burgenland lieferte keinen rauschenden Erfolg. (c) APA (Fohringer) Erschwerend für Pröll: er hatte parteiintern einen mächtigen Zweifler dazubekommen. Onkel Erwin war sauer, dass der Neffe seine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl unterlaufen hatte. Seither gilt das Verhältnis als gespannt. Und auch inhaltlich hatte der einst liberale Reformer Pröll seine Nöte, die Partei etwa im Bildungsbereich in modernere Zeiten zu holen. Das Bild in der Öffentlichkeit blieb: wenn was geht, dann geht es nur mit, aber nie gegen die schwarze Lehrergewerkschaft. (c) REUTERS (HERWIG PRAMMER) Schwer tat sich Pröll auch mit der Personalauswahl. Sowohl sein Generalsekretär Fritz Kaltenegger als auch Klubobmann Karlheinz Kopf gelten in der Partei mittlerweile als Schwachstellen. Nicht gerade bewährt hat es sich auch, mit Bawag-Richterin Claudia Bandion-Ortner eine politische Quereinsteigerin ins Justizressort zu holen. Und schließlich war die EU-Spitzenkandidatur Ernst Strassers, der mit seinem jüngsten Lobbyisten-Skandal die ÖVP so richtig in die Krise gestürzt hat, einsam auf Prölls Mist gewachsen. (c) Dapd (Hans Punz) Was neben dem gesundheitlichen Aspekt - immerhin hatte der scheidende VP-Chef schon früher mit einer Thrombose zu kämpfen - Prölls Lust auf eine weitere Polit-Karriere gedämpft haben dürfte, ist eben der aktuelle Zustand der Partei. In den Umfragen war man zuletzt nach dem Strasser-Skandal fast überall auf Platz drei hinter die Freiheitlichen abgerutscht. Ein Neustart, auch personell, scheint notwendig, und solch ein zeitintensives Unterfangen wäre für einen gesundheitlich angeschlagenen Obmann sicher nicht die beste Medizin. (c) AP Die einstige Kanzler-Hoffnung der ÖVP geht Spindelegger gilt als Favorit für Nachfolge Über seine(n) Nachfolger hielt sich Pröll bedeckt. Der 42-Jährige erklärte lediglich, er werde ein "geordnetes Haus in Partei, Finanzministerium und als Vizekanzler" übergeben. Am Donnerstag wird der Parteivorstand zusammenkommen. Dabei soll über Prölls Nachfolge beraten werden.
Außenminister Michael Spindelegger werden die besten Chancen eingeräumt, Prölls Erbe als Parteichef und Vizekanzler anzutreten. Am Mittwochabend verdichteten sich die Gerüchte, dass die Wahl auf ihn fallen dürfte. Angesichts der Bünde- und Länder-Logik in der Volkspartei war Spindelegger immer als Favorit für die beiden Posten gehandelt worden. Er ist Obmann des ÖAAB und entstammt der mächtigsten VP-Landesorganisation, nämlich der niederösterreichischen.
Als weitere Kandidaten für Prölls Nachfolge werden Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Innenministerin Maria Fekter gehandelt.
Der Favorit hat sich durchgesetzt. Michael Spindelegger (rechts) ist neuer ÖVP-Chef und Vizekanzler. Doch Prölls Posten als Finanzminister ist noch unbesetzt, zudem kündigt der neue Parteichef Spindelegger einen Umbau der Partei- und Regierungsmannschaft an. Das schwarze Personalkarussell dreht sich also weiter. Und die Gerüchteküche brodelt. Der VP-Innenministerin wurden Außenseiterchancen für den Posten des Parteichefs eingeräumt. Daraus wurde nichts. Jetzt tauchte der Name der Hardlinerin in fast allen Spekulationen über Personal-Rochaden auf. Es scheint so gut wie fix: Sie wird Finanzministerin. Sie hatte am Tag nach der Spindelegger-Ernennung selbst für sich geworben. Zuvor war auch gemunkelt worden, dass die Betriebswirtin und Juristin die glücklose Claudia Bandion-Ortner als Justizministerin beerben könnte. Auch dass sie ins Wirtschaftsressort wechseln könnte, falls Reinhold Mitterlehner doch den freigewordenen Posten des Finanzministers übernehmen sollte, war im Gespräch. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Ein weiteres Produkt der Gerüchteküche: Fekter verlässt die Regierung und beerbt den intern zuletzt heftig kritisierten VP-Klubobmann Karlheinz Kopf. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Die politischen Karriere der scharfzüngigen Justiz-Expertin begann im Jahr 1986, als sie in den Gemeinderat ihrer oberösterreichischen Heimatgemeinde Attnang-Puchheim einzog. Vier Jahre später wurde sie in den Nationalrat gewählt. Einer breiten Öffentlichkeit wurde die "Schotter-Miezi" (Spitzname) durch ihre Rolle als Fraktionschefin im Eurofighter-U-Ausschuss bekannt. Zuvor hatte sie eine ÖVP-interne Kampfabstimmung um das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten knapp verloren - gegen den neuen Parteichef übrigens. Der Wirtschaftsminister gilt als ewige Zukunftshoffnung der Partei. Nach Prölls Abgang galt er als aussichstreichster Kandidat für das Amt des Finanzministers. Zuletzt ruderte Mitterlehner aber zurück. Der "Kämmerer dürfte sich im Wirtschaftsministerium wohlfühlen. Gleichzeitig tauchten neue Kandidaten-Namen auf. Nach Prölls Abgang muss zudem der (niederösterreichische) Bauernbund-Flügel der Partei mit einem prestigeträchtigen Ministeramt versorgt werden. Mitterlehner heuerte 1980 in der Wirtschaftskammer Oberösterreich an, 1992 wurde er Generalsekretär des VP-Wirtschaftsbund-Flügels. Später bekleidete der 55-jährige Oberösterreicher auch das Amt des stellvertretenden Wirtschaftskammer-Generalsekretärs. Sein damaliger Obmann Christoph Leitl reklamierte Mitterlehner 2008 in die Regierung. Mittlerweile soll das Verhältnis der beiden aber unterkühlt sein. APA Der niederösterreichische Wirtschaftslandesrat Stephan Pernkopf wird als einer der Kandidaten für das Finanzministerium gehandelt. Der 38-Jährige war vor seinem Wechsel nach St. Pölten Leiter von Josef Prölls Ministerbüro. (c) APA (Helmut Fohringer) Zwei Dinge sprechen für Pernkopf: Sein Herkunfts-Bundesland und seine Mitgliedschaft im Bauernbund. Denn durch den Abgang des niederösterreichischen Bauernbündlers Josef Pröll ergeben sich automatisch Begehrlichkeiten. Das schwarze Kernland unter der Regie Erwin Prölls wird eine Schwächung seiner Repräsentanz in der Regierung wohl kaum durchgehen lassen. Genausowenig der Bauernbund. Und die Bedeutung der Bünde für Personalentscheidungen in der ÖVP kann kaum überschätzt werden. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER) Wie Pernkopf kommt auch Werner Wutscher aus dem Bauernbund. Der 43-Jährige verlässt mit Monatsende den Rewe-Vorstand - und das ein Jahr vor Auslaufen seines Vertrages. Wutschers Rücktritt nährt Gerüchte, der gut vernetzte Kärntner könnte als Wirtschafts- oder Agrarminister in die Regierung wechseln. Der Kärntner war bereits vor seiner Zeit bei Rewe Generalsekretär vom damaligen Umweltminister Willi Molterer. Vor zwei Jahren wollte in Josef Pröll als Nachfolger für Gio Hahn in die Regierung holen. (c) APA (Alina Parigger) Der Vizechef der Bawag P.S.K. wird die Bank mit Ende April verlassen, um sich "neuen Herausforderungen" zu stellen. In der Politik? Das Gerücht hält sich hartnäckig, dass der 53-jährige Banker zum Favoritenkreis für den Posten des Finanzministers und des Wirtschaftsministers zählt (falls dieser frei wird). Koren engagierte sich bereits im Wirtschaftsbund, der Industriellenvereinigung und als Berater von ÖVP-Granden, darunter Ex-Kanzler Schüssel. Und er hätte den Job praktisch im Blut: Sein Papa war VP-Finanzminister. (c) Roland Schlager Die VP-Justizministerin wird für keine der freiwerdenden Stellen gehandelt. Sie muss stattdessen um ihren Job zittern. Pröll hielt ihr stets die Treue, auch weil Bandion-Ortner seine "Erfindung" war. Durch Prölls Rücktritt scheint aber auch Bandion-Ortners Schicksal besiegelt. Als mögliche Nachfolgerin wird Innenministerin Maria Fekter gehandelt. Die 44-jährige Grazerin machte sich als junge Strafrichterin einen Namen, als sie den Konsum-Prozess bewältigte. Berüchtigt ist ihre Rolle als Richterin im Bawag-Prozess, die ihr den Quereinstieg in die Politik als Chefin des Justizressorts ermöglichte. Der VP-Generalsekretär wird für den Posten des Innenministers gehandelt, für den Fall, dass die amtierende Ressortchefin Maria Fekter das Ressort wechselt. Der 39-jährige Kärntner kommt aus dem Bauernbund und würde mit seiner Entsendung in die Regierung das Bünde-Gleichgewicht wiederherstellen. Kaltenegger ist aber nicht unumstritten. Er könnte vom Parteivorstand auch allen VP-Ämtern entledigt werden. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER) Der Name des VP-Finanzstaatssekretärs taucht immer wieder auf, wenn es um Rochaden im ÖVP-Regierungsteam geht. Angeblich könnte der 51-Jährige von der Regierungsbank in den Nationalrat wechseln und dort das Mandat von Bildungssprecher Werner Amon oder Jochen Pack übernehmen. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Er dürfte auf der parteiinternen Abschussliste stehen: ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. Der 53-jährige Vorarlberger aus dem Wirtschaftsbund war bereits vor Josef Prölls Rücktritt heftig in die Kritik geraten und dürfte nicht zum engsten Vertrautenkreis von Michael Spindelegger zählen. Das Kopf, wie ein weiteres Gerücht besagt, nicht abgesägt, sondern Innenminister werden könnte, gilt daher als unwahrscheinlich. Die ÖVP war zuletzt wegen mehrerer Rücktritte - allen voran jenem des EU-Abgeordneten Ernst Strasser - in Turbulenzen geraten. Das nährte Spekulationen um Personalrochaden an der Parteispitze. Führende ÖVP-Politiker betonten aber in den vergangenen Tagen wiederholt, Pröll sei als Parteichef unbestritten. Er werde nach Abschluss seiner Reha in der Woche nach Ostern zurückkommen.
Auch der Koalitionspartner dürfte von Prölls vollständigem Rückzug aus der Politik überrascht worden sein: Er habe in der Früh von Prölls Entscheidung erfahren, sagte SP-Chef Werner Faymann.
Pröll gab am Mittwoch noch nichts über seine Zukunftspläne bekannt. Einem Medienbericht zufolge bekommt er einen Job in einem Unternehmen, das dem Raiffeisen-Konzern gehört .
(Red.)
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