IT-Experte: "Facebook ist gut, weil es E-Mails verhindert"

ITExperte Facebook weil EMails
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WU-Professor Gustaf Neumann im Gespräch mit DiePresse.com darüber, dass Netzwerke nicht sozial sind, Darwinismus im Web, warum E-Mail schon unbrauchbar ist und wieso wir bald Schränke als Telefonzellen nutzen.

Sich Gedanken über die Zukunft machen, ist Gustaf Neumanns Job. Er ist Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Vorstand des Instituts für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien. Eines der erfolgreichsten Projekte seines Instituts ist die E-Learning-Plattform Learn@WU. Neumann traf sich mit DiePresse.com zum Gespräch anlässlich der Vortragsreihe WU Talks. Dabei war ein zentrales Thema der Umgang mit Sozialen Netzwerken und dem Wandel im Internet.

Inhaltsverzeichnis

Seite 1: Darwinismus im Internet
Seite 2: Google hat zu viel Macht

DiePresse.com: Nutzen Sie Facebook?

Gustaf Neumann: Ich habe einen Facebook-Account, aber nutzen? Da ist die Frage, wie man das definiert: Ja und Nein. Ich habe diverse Kollegen als Freunde gesucht und eingetragen. Und ich schätze sehr, dass man up-to-date bleibt, etwa wer ein Kind kriegt und all die Sachen. Aber ich bin in keiner Form ein Junkie.

Wieviele Freunde haben Sie auf Facebook? Der Durchschnittsuser hat um die 150.

Neumann: Ich habe keine Ahnung. In so einer ähnlichen Größenordnung wird es sein, wahrscheinlich weniger. Es ist sicher mehr als 50 und weniger als 150. Aber ich mach mir da keinen Sport daraus.

Nutzen Sie Facebook auch am Handy?

Neumann: Ich bin ein Handy-Feind. Ich bin froh, wenn ich nicht erreichbar bin. Das Problem ist: Ich bekomme zu viele Anrufe. Wenn ich permanent Verfügbar bin, komme ich nicht zum Arbeiten.

Handys werden immer mehr zu Smartphones, Computer immer kleiner. Werden in Zukunft die Menschen nur mit Smartphones herumlaufen, die man daheim dann an größere Bildschirme anschließt, also dass man gewissermaßen seinen Computer in der Hosentasche mitnimmt?

Neumann: Ich würde viel weiter gehen. Wenn man heute einen vollständigen Rechner produzieren will, ist er von der Größenordnung wie eine zwei-Euro-Münze, vielleicht ein bisschen höher. Es gibt heute schon Wearable Computer, die man im Gewand mit sich trägt. Die Frage ist, bis zu welchem Grad braucht man noch ein Handy, das man mitschleppt, weil ich kann in fünf bis zehn Jahren zu jedem Schrank gehen und sagen "Lieber Schrank, ruf mir den oder den an".

Der Kleiderschrank als Telefonzelle?

Neumann: Die Möglichkeit ist da. Die Geräte werden immer kleiner, immer weniger rechnerhaft. Selbst das iPhone ist noch sehr rechnerhaft. Die Hauptinnovation vom iPad ist, dass es ein größeres iPhone ist. Ich glaube nicht, dass es ein einziges Gerät für alle Anwendungen geben. Wann brauche ich einen Bildschirm, wann Internet-Connectivity? Für eine Kollegin von mir ist das iPhone eine andere Dimension von Rechner, sie hat gesagt, sie braucht keinen anderen Computer mehr. Als Internet-Terminal, mit dem man seine Mails macht, reicht das. Und die Geräte werden auch immer mächtiger. Früher haben Computer ganze Räume ausgefüllt. In 20 Jahren wird jeder Raum voll mit Rechnern sein, aber man wird sie nicht sehen. Jedes Bild, jede Lampe wird ein Rechner sein.

Entwickelt sich Facebook ein bisschen zur Parallelgesellschaft im Internet?

Neumann: Parallelwelt... es ist das Web. Es ist Realität, dass es nicht Ergebnis eines Top-Down-Designs ist, wo sich jemand überlegt, wie das System ausschauen sollte und nach einem Prinzip alles herunterentwickelt. Es gibt Chaos und aus dem Chaos setzen sich gewisse Dinge durch. Man hat hier eine eher darwinistische Situation. Und "survival of the fittest" heißt nicht, dass die besten oder schönsten sich durchsetzen, sondern die anpassungsfähigsten. Der Erfolg eines Produkts hängt sehr stark von der Konkurrenzsituation ab. Monopolisten entstehen, die den Rest des Marktes ausschließen. Der der sich durchsetzt ist oft nicht der Beste.

Das erinnert dunkel an Betamax.

Neumann: Genau, ein klassisches Beispiel. Das war auch ein Netzwerkeffekt.

Sie sagten Monopolisten entstehen. Google bei Suchmaschinen und Facebook bei Social Networks...

(c) WU Wien

Neumann: Die Netzwerke haben nichts mit sozial zu tun. Der Mensch spielt keine Rolle. Soziale Netzwerke oder soziale Software ist ein problematischer Begriff. Weil bis zu welchem Grad ist etwa ein Forum weniger sozial als Facebook? Wenn man es technisch betrachtet, kommt man auf eine Situation, wo man am Ende eine wenig greifbare Charakterisierung hat, was das eigentlich sein soll.

Nochmal zu Monopolisten. In Anlehnung an die Bankenkrise: Ist Google "too big to fail"? Würde sein Verschwinden ein Machtvakuum hinterlassen?

Neumann: Wenn die Welt nicht wollte, dass Google existiert, wäre Google tot. Google lebt davon, dass sie auf Webserver Zugriff haben. Wenn man die Google-Bots blockiert, kriegt Google keine Informationen mehr und geht Pleite. Diese Macht liegt beim Anwender. Jeder Anwender kann bestimmen, ob er gefunden wird. Aber im Gegenteil, Leute geben Geld aus, damit sie möglichst gut in Google gefunden werden. Auf der anderen Seite: Google macht mit der Suchmaschine kein Geld, das ist ein Pleitegeschäft. Wenn man für eine Anfrage Geld verlangen würde, würde kein Mensch mehr Google verwenden. Aber Google hat durch das gesammelte Wissen ein Riesenpotenzial geschaffen. Durch die Daten der Kunden haben sie den Bereich des Marketings neu erfunden. Viele Dinge, die im Marketing vor einigen Jahren noch verpönt gewesen sind, hat Google einfach umgedreht.

Das beantwortet aber nicht die Frage nach dem Machtvakuum.

Neumann: Die Frage ist, wie sehr hängt die Welt von Google ab? Sehr wenig. Die größere Gefahr liegt bei anderen Technologien wie GPS. Wenn man hier Infrastrukturen baut, die ohne das nicht mehr zurecht kommen, wenn Züge nicht mehr fahren, weil GPS nicht mehr funktioniert, ist das viel schlimmer als wenn eine einzige Suchmaschine nicht mehr geht. Ich habe eine Tochter, die ist 10 Jahre alt, wenn ich ihr eine Frage stelle, sucht sie im Internet und antwortet. Sogar sehr gut. Was heißt das am Ende für die Wissensvermittlung? Es gibt eine Suchmaschine, mit der kann man alle Dokumente der Erde zugänglich machen. Das wird nicht vergehen. Das hat Google miterschaffen.

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