Orange-Chef: "Die iPhone-Knappheit nervt"

OrangeChef glaube Comeback Nokia
OrangeChef glaube Comeback Nokia(c) Presse Digital (Daniel Breuss)
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CEO Michael Krammer im DiePresse.com-Interview über die Situation der Handybranche, die Zahlen der Konkurrenz, der Hassliebe zu Apple und warum er sich auf eine EU ohne Roaming freut.

Vom 14. bis 17. Februar findet in Barcelona der Mobile World Congress (MWC) statt. Es handelt sich um die weltgrößte Branchenmesse für Mobilfunk und verwandte Technologien. DiePresse.com wird auch heuer vor Ort sein und von dem Ereignis berichten. Im Vorfeld soll eine Interview-Serie mit Österreichs Mobilfunkern einen Überblick bieten, wie es um die Branche steht, und was für die nächste Zeit zu erwarten ist. Den Beginn machte Jan Trionow, CEO von 3. Hier zu lesen ist das Gespräch mit Orange-Chef Michael Krammer. Es folgen T-Mobile-Chef Robert Chvatal und Hannes Ametsreiter, Chef der A1 Telekom.

Inhaltsverzeichnis

Seite 1: "Die iPhone-Knappheit nervt"
Seite 2: "Aus 3 wird operativ nichts"

DiePresse.com: Sie sagten letztes Jahr, LTE sei wie WLAN, nur teurer und Sie sehen erst 2011 den Durchbrucht. Zeichnet sich der wirklich heuer ab oder wird er sich weiter verzögern?

Michael Krammer: In Österreich gibt es im Moment die Einschränkung, dass LTE nur in Verbindung mit den 2,6 GHz-Frequenzen genutzt werden darf. Und daher meine Aussage. Im Moment ist das nichts anderes als ein bisschen Verdichtung des Netzes in den Städten. Die große Fragestellung ist: Wann wird das sogenannte Refarming für die existierenden Frequenzen stattfinden? Im Moment haben wir eine gewaltige Komplexität. Die große Forderung ist: Gebt bitte endlich die Frequenzen technologieneutral frei!

Refarming

In Österreich sind die Frequenzbänder nur für bestimmte Technologien freigegeben. 900 und 1800 MHz dienen ausschließlich GSM, UMTS darf nur in 2100 MHz funken, LTE nur in 2,6 GHz. Die Betreiber hoffen, dass die freiwerdenden TV-Frequenzen ("digitale Dividende") mit 800 MHz ihnen zugesprochen werden. Weiters wollen sie, dass auf den Frequenzen alle Technologien genutzt werden dürfen. Das heißt GSM, UMTS und LTE auf 900, 1800 und 2100 MHz, sowie 2,6 GHz. Diese Öffnung der Frequenzbänder wird als Refarming bezeichnet.

Das würde natürlich die Kosten für den LTE-Ausbau senken.

Sie sagen es.

Ist das einer der Gründe, warum Sie sich hier noch zurückhalten?

Bei uns in der Branche war es immer noch so: Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Erstens akzeptieren es die Kunden noch nicht und zweitens kommt nachher sicher etwas effizienteres.

Aber es hätte Sie doch nicht gestört, wenn Sie der erste gewesen wären, der das iPhone in Österreich angeboten hätte.

Ich bin ja kein Politiker und kann daher nicht sagen "was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?". Wie das erste iPhone herausgekommen ist, die 2G-Variante, habe ich gesagt, es ist wie Paris Hilton: Ganz nette Hülle aber wenig dahinter. Das glaube ich auch heute noch, dass 2G für das iPhone eine absolut ungeeignete Technologie ist. Beim iPhone 3G waren wir dann eh dabei. Wir waren ein paar Stunden früher als die T-Mobile mit einem Mitternachtsverkauf.

2010 sah das wieder anders aus. Beim iPhone 4 sagten Sie "Pressefrühstück statt Mitternachtsverkauf". [Nachlese vom Orange-Event im Juli, Anm.]

Die Überlegung war damals die: Wir haben eine sehr geringe Stückzahl bekommen und haben damit keinen österreichweiten Mitternachtsverkauf machen können. Wir wollten ursprünglich in allen Landeshauptstädten einen Mitternachtsverkauf machen. Nur als wir die Stückzahlen von Apple gehört haben, haben wir gesagt: Da machen wir gar keinen, weil nur in Wien einen machen... Was kann denn der Dornbirner dafür, dass er in Dornbirn lebt, und dann muss er extra nach Wien pilgern?

Das bringt mich zum nächsten Punkt, der iPhone-Knappheit. Seit das iPhone 4 auf dem Markt ist, heißt es, es ist immer ausverkauft und jeder Mobilfunker sagt, er hätte mehr verkaufen können, wenn er mehr Stück bekommen hätte. Ist das ein Distributionsproblem von Apple oder wird hier eine künstliche Knappheit betrieben, um den Schein der Exklusivität aufrecht zu erhalten?

(c) Presse Digital (Daniel Breuss)

Ich weiß es nicht. Egal was es ist, es nervt. Aber wir gehen jetzt dazu über, einfach andere Geräte zu verkaufen. Es gibt hervorragende Android-Alternativen. Wenn kein iPhone da ist, wird etwas anderes verkauft. Und die anderen Geräte kommen dem iPhone immer näher. Wenn es eine beabsichtigte Knappheit ist, wird die bald zu dem Gegenteil führen von dem, was beabsichtigt ist.

Ist der Kunde nicht mehr nur auf ein Gerät fixiert, sondern will einfach nur bestimmte Funktionen, unabhängig davon, welche Marke dahinter steckt?

Ich will mir ja nicht selber Mut zusprechen. Es gibt schon eine eingeschworene Apple-Gemeinde, die nichts anderes will. Es gibt aber auch genug, die über die Funktionalität, die Convenience und die Apps reden. Da ist Android auf Augenhöhe, zieht Windows Phone 7 nach und ich glaube auch, dass Nokia irgendwann die richtigen Maßnahmen setzt, um irgendwann einmal wieder dort zu sein.

"Irgendwann einmal wieder" klingt jetzt nicht so überzeugt. Ich erlaube mir, Sie noch einmal zu zitieren: "Symbian ist wie Oldtimer-Fahren."...

Das war noch Symbian S60.

Und wie sieht es mit dem neuen Symbian^3 aus?

Das ist ein Youngtimer.

Man hat bei Nokia das Gefühl, sie bewegen sich nicht vom Fleck und wissen nicht, wohin. Es gibt ständig Verzögerungen, wie zum Beispiel beim N8.

Aber die Hardware ist fantastisch. Das N8 hat eine Top-Qualität. Tolle Kamera, tolles Navigationssystem. Aber das Betriebssystem ist als Ganzes noch ein bisserl hatschert.

Da frage ich gleich, was aus MeeGo geworden ist?

Die Frage ist berechtigt. Ich glaube, sie werden sich Betriebssystem-seitig öffnen.

Also Nokia-Smartphones mit einer bereits am Markt verfügbaren Software-Variante?

Würde ich vermuten.

Das leitet weiter zum nächsten Punkt. Einige vermuten, dass Android weg von der hochpreisigen Schiene Nokia im Billig-Segment wehtun wird.

Keine Frage, die sind schon unterwegs in die Richtung. 110 Euro sind keine Zukunftsmusik mehr.

Wir lange hält Nokias Marktführerschaft noch? Die Marktanteile sinken ja deutlich.

Ich möchte nicht mit ihnen tauschen. Ich glaube aber trotzdem an die Erneuerungskraft von Nokia. Noch dazu bin ich ein begeisterter Europäer und das ist der letzte große europäische Telekommunikationskonzern. Man merkt schon, dass sich die Dinge verändern. Im ganzen Auftreten, in der Betreuung und Zusammenarbeit der Betreiber. Es tut sich was. Jetzt ändert man ein Betriebssystem nicht von heute auf morgen. Aber ich glaube, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben und ich glaube an ein Comeback von Nokia.

Bleiben wir bei Android. Es wurden auf der CES mehr als 80 Tablets vorgeführt. Für den MWC werden wieder neue Geräte erwartet. Wie groß ist Ihrer Ansicht nach die Chance, dass Android das iPad auf dem Tablet-Markt überholen wird?

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Die Chancen sind gut. Zuviele Jäger sind des Hasen Tod. Apple ist ein proprietäres System. "Wir geben unsere Software nur in unsere Hardware." Das machen Sie bei den PCs, Tablets und Smartphones. Wenn jemand ein offenes Betriebssystem macht, das von allen Herstellern verwendet werden kann, muss das irgendwann mehr werden, weil sonst würde irgendwas falsch laufen.

Ist das Apple egal?

Das ist denen ganz sicher egal. Ich bin jetzt nicht Steve Jobs, aber sie haben ja auch beim PC und den Macbooks in Kauf genommen, dass sie einen kleinen feinen Markt betreuen und nicht ihr Betriebssystem für andere Hardware-Hersteller offenlegen. Diesen Weg gehen sie konsequent. Je breiter Android wird, umso größer wird wieder die Differenzierungsmöglichkeit für Apple. Die Befürchtung von Google ist ja, dass sie das Windows der Smartphones werden.

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