Österreich und fünf weitere AAA-Länder könnten innerhalb von 90 Tagen ihr Top-Rating verlieren. Das hätte auch Auswirkung auf die Bonität des EFSF.
Wenige Tage, bevor Europas Spitzenpolitiker auf einem EU-Gipfel in Brüssel über die Zukunft des Euro entscheiden sollen, bringt sie die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) mächtig unter Druck. Sie setzt 15 Euroländer auf "Creditwatch Negative". Die Überprüfung der Bonität der Euro-Länder soll möglichst rasch nach dem EU-Gipfel abgeschlossen sein. Die sechs Staaten mit Triple-A-Rating könnten ihre Bestnote verlieren. Entscheidend sei, dass das Treffen der Staats- und Regierungschef "glaubwürdige und solide Lösungen" für die europäische Schuldenkrise bringe, betonte S&P-Europa-Chefanalyst Moritz Kraemer am Dienstag. "Eine Herabstufung ist auf keinen Fall sicher", versicherte Kraemer.
Sollte einem oder mehreren Euro-Ländern das AAA entzogen werden, könnte in der Folge auch das langfristige Rating des Euro-Rettungsschirms EFSF von derzeit "AAA" ein bis zwei Stufen gesenkt werden, teilte S&P am Dienstag mit.
Ausgenommen von der Beobachtungsliste sind Zypern, das bereits einen negativen Ausblick hat, und Griechenland, das für S&P ohnehin vor dem Bankrott steht. Erst vor wenigen Tagen hatte die zweite große US-Ratingagentur Moody's erklärt, dass allen EU-Ländern die Herabstufung droht.
Alle AAA-Staaten der Eurozone gefährdet
Die schlimmsten Folgen hätte eine Rückstufung für die bisherigen Top-Schuldner: Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Finnland, Luxemburg – und Österreich. Dieser Warnschuss an alle kommt völlig überraschend. Zwar wackelt schon länger das AAA-Rating von Frankreich. Auch ein negativer Ausblick für Österreich steht seit einigen Wochen im Raum. Dass aber auch Deutschlands Bestnote in Frage gestellt werden könnte, hatten die wenigsten erwartet. Bei einem negativen Ausblick für die Triple-A-Staaten liegen die Chancen bei 50:50, dass sie ihre Bestnote innerhalb von 90 Tagen verlieren.
Die Agentur begründet ihre kollektive Drohung vor allem mit der "andauernden Uneinigkeit unter den europäischen Politikern", wie denn die Schuldenkrise zu bewältigen sei. Dazu komme der hohe öffentliche und private Schuldenstand und die drohende Rezession. Finanztechnisch will sich S&P die Politik der Europäischen Zentralbank anschauen. Die Prüfung steht unter dem Titel „Währungspolitische Flexibilität“ – offenbar will auch die US-Ratingagentur die EZB zu weiteren massiven Ankäufen von Staatsanleihen drängen.
Fekter rechnet "nicht mit Herabstufung"
Die österreichische Regierung hat am Dienstag an die Opposition appelliert, angesichts der drohenden Herabstufung der Kreditwürdigkeit der Schuldenbremse doch noch zuzustimmen. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) machte vor dem Ministerrat allerdings klar, dass sie "derzeit nicht" mit der Herabstufung rechnet. "Wir haben sehr stabile Fakten", sagte Fekter. Auch der Ausblick sei derzeit formal noch nicht negativ: "Die gesamte Euro-Zone ist unter Beobachtung. Watch ist nicht negativ." Die Mitteilung von Standard & Poor's bedeute nicht, dass es zu einer Abwertung kommt, betonte Fekter. Als positiv wertet sie außerdem, dass der Abstand zwischen den Zinsen der österreichischen und der deutschen Staatsanleihen zuletzt so niedrig wie seit Monaten nicht gewesen sei.
In einer Aussendung der österreichischen Regierung vom Montagabend heißt es, dass "externe Faktoren, die nicht von Österreich beeinflussbar sind" dazu geführt hätten, dass S&P Österreich gemeinsam mit den anderen Euro-Ländern unter Beobachtung stellt.
Fünf Gründe für die drohende Herabstufung
* Eine Verringerung der Kredite
* Deutlich höhere Risikoprämien für immer mehr Euro-Staaten, auch für AAA-Länder
* Anhaltende Uneinigkeit zwischen den EU-Politikern über die notwendigen Maßnahmen
* Hohe Verschuldung der Öffentlichen Hand
* In einem großen Teil der Eurozone ssteigende Risiko einer Rezession im Jahr 2012
Gemeinsame Erklärung von Paris und Berlin
In einer gemeinsamen Erklärung haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Montagabend ihren festen Willen bekräftigt, die Euro-Zone mit allen notwendigen Maßnahmen zu stabilisieren. Man nehme die Ankündigung von Standard & Poor's zur Kenntnis, hieß es.
Der Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker hat die drohende Herabstufung der Bonität der Euroländer hingegen scharf kritisiert. Die Einschätzung der Agentur sei maßlos überzogen und ungerecht, sagte Junker am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Euro-Zone sei "dabei, die Dinge in Ordnung zu bringen." Er empfehle, die Ratings nicht so ernst zu nehmen.
S&P: Schuldenbremse wäre wichtig
Für Österreich hält S&P fest, dass die die CreditWatch-Entscheidung von Sorgen getrieben wird, welche Auswirkung sich vertiefende politische, finanzielle und monetäre Probleme in der Eurozone auf die österreichische Wirtschaft haben können. Die Mitteilung ist teilweise wortgleich mit jener für andere Staaten. Hierzulande will sich S&P anschauen: Die Vorhersagbarkeit des politischen Systems und die Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Entwicklungen. Eine im Verfassungsrang verankerte Schuldenbremse als glaubwürdiger Konsolidierungsschritt wäre nach Ansicht der Agentur wichtig gewesen. Diese ist aber am Montag gescheitert.
Die jüngsten Entwicklungen haben die Kreditkosten für Österreich erhöht, schreibt S&P. Österreichische Banken refinanzieren inländische Anleihen zur Gänze bzw. ihre Töchter in Osteuropa zum Großteil über Einlagen. Das entschärfe die Liquiditätsrisiken. Allerdings sei die Qualität der Anleihen und Kredite vor allem bei den Ost-Töchtern gesunken. Das könnte das Risiko erhöhen, dass weitere Kapitalspritzen der Regierung oder vergleichbare Interventionen nötig werden. Das wiederum steigere das Risiko, dass Haftungen schlagend werden. S&P will das Risiko prüfen, dass grenzüberschreitende Geldflüsse aufgrund einer steigenden Belastung des Finanzsektors plötzlich einbrechen. Außerdem soll Österreichs Fähigkeit zur weitere Stützung des Bankensektors überprüft werden.
>>> Karte: Welche Länder noch ein AAA-Rating haben
(Ag.)