Das letzte Abendmahl und die große Geld-Illusion

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letzte Abendmahl Geldillusion(c) AP (Antonio Calanni)
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Die Geschichte des Geldes ist eng verknüpft mit dem Christentum, erklärt die Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun in "Der Preis des Geldes".

"Unser Glaube ans Geld beruht auf der Tatsache, dass viele Menschen dran glauben müssen, wenn das Geld in eine Krise gerät. Je fragiler das Geld, desto mehr Menschen trifft es", schreibt die deutsche Kulturwissenschaftlerin Christina von Braun in ihrem Buch "Der Preis des Geldes", einer Kulturgeschichte des Geldes. Gleichzeitig sei Geld heute etwas hochgradig Abstraktes geworden. An diesem Punkt setzt die Autorin an. Sie begibt sich auf eine über 400-seitige Zeitreise durch die Jahrhunderte, um zu erklären, warum wir an ein System glauben, das auf dem Nichts basiert.

"Die Opferlogik des Geldes schuf die Voraussetzungen für die Fruchtbarkeit des Geldes", schreibt von Braun. Dies sei auch ein Grund dafür, warum die christliche Religion zu dem Terrain der Geldgeschichte geworden sei. "Die Geschichte des westlichen Geldes ist ohne die christliche Religion nicht zu denken", hält sie fest. Bemerkenswert sei allerdings, wie wenig Interesse die Wirtschaftswissenschaft dafür zeige. Die Ökonomie tue sich schwer, über diesen "sakralen Aspekt" zu reflektieren. Die Autorin zitiert in diesem Zusammenhang den Schweizer Nationalökonomen Christoph Biswanger, der von der "Glaubensgemeinschaft der Ökonomen" schreibt. Die Ökonomie würde - wie die Theologie - viele Dogmen kennen. "Sie schreiben vor", meint von Braun. "Aber sie tun sich schwer damit zu beschreiben."

Das Geld und die Opfergabe

(c) Aufbau Verlag

Von Braun schreibt von den drei Ursprüngen des Geldes. Diese seien der materielle Wert des Geldes (etwa die Anbindung des Geldes an Gold), Geld als Autoritätssystem (es bedarf eines Herrschers, der Geld herausgibt und garantiert) und Geld als Opfergabe. Aber sowohl die materielle Deckung des Geldes als auch die Autorität als Beglaubigungssystem des Geldes hätten sich als Illusion erwiesen. Gerade letztere verleite zu Fälschungen und Abwertungen.

Bleibt also der dritte Ursprung des Geldes: die Opfergabe. "Im Laufe eines längeren Prozesses trat an die Stelle des realen Opfers (Opfertieres) ein Symbol - in Form einer Münze, auf der das Opfer oder das Opferwerkzeug dargestellt wurden", so die Kulturwissenschaftlerin. Ein klassisches Opfertier war der Stier. Nicht zufällig leitet sich auch das lateinische Wort für Geld, "pecunia", von pecus (Rind) ab. Bis heute würden sich moderne Geldzeichen auf die sakrale Herkunft des Geldes aus dem Opferkult beziehen, schreibt von Braun. Auch die zwei Striche, die sowohl Euro, Dollar, Pfund, Yen und Yuan zieren, seien Relikte der Stierhörner.

Nicht ohne eine gewisse Ironie hält von Braun fest, dass sich die Euro-Gemeinschaft bei der Wahl ihres Währungssymbols darauf beruft, eine Opfergemeinschaft zu bilden: "Eine Gemeinschaft, die älter ist als die europäischen Nationen und ausgerechnet in Griechenland ihren Ursprung hatte."

Das Geld und das Alphabet

Von Braun weist darauf hin, dass sich das nominalistische Geld - von ökonomischen Geldtheorien wenig berücksichtigt - nur 150 Jahre nach dem griechischen Alphabet durchgesetzt habe. Alle Buchstaben des Alphabets haben ihren Ursprung in magischen Opfer- und Fruchtbarkeitsriten, so von Braun. Auch der erste und wichtigste Buchstabe A verweise auf das höchste Opfertier: Aleph (Alpha) - Stier. Nicht zufällig würden auch die Ratingagenturen ihre Bestnoten mit "AAA" vergeben.

Das Geld und das Abendmahl

Bis ins 10. Jahrhundert gab es in Europa wertvolle Grabbeigaben aus Gold und Silber. Diesem Totenkult, der eine Gesellschaft ohne Geldwirtschaft repräsentiert, wurde erst durch das Christentum ein Ende gesetzt. Ab dann diente das Geld dem Bau von Kathedralen oder der Unterstützung der Armen. Aus einer "sterilen Grabbeigabe" wurde das "temporale und fruchtbare Geld". "Das Geld begann also zu zirkulieren, weil es den Toten entrissen wurde", schreibt von Braun. Und so wurde Geld zu dem "Klebstoff, der die Generationen über den Tod hinweg miteinander verbindet".

Der wichtigste gemeinsame Nenner von Christentum und Geld liege aber im Glauben. Das zeige sich auch am Beispiel Abendmahl. Brot und Wein wie auch Geld seien Symbole, die "versprechen, dass an ihnen substantiell etwas dran sei". Weil die Christen es gewohnt sind, mit der Illusion des Abendmahls zu leben, würden sie auch die Geldillusion akzeptieren, schlussfolgert von Braun. Sogar Adam Smiths "Unsichtbare Hand" der freien Marktwirtschaft ähnle der christlichen Lehre der lenkenden Hand Gottes.

Das Geld und die (erfundenen) Märtyrer

Das Opfer Christi sollte durch Opfergaben der Gläubigen erwidert werden. Mindestens fünf Mal im Jahr gab es Pflichtopfer, die dem Unterhalt des Klerus dienten - die Hochfeste. "Nach diesen Pflichtopfern fand der Markt statt, wo die Opfergaben in Geld umgewandelt wurden. So entstanden die Messen, deren Name und Ursprung deshalb sowohl auf Gottesdienst als auch auf den Marktcharakter verweisen", schreibt von Braun. Der Handel fand teilweise in den Kirchen statt. Gelegentlich wurden Märtyrer erfunden, um eine Wallfahrt und einen Markt einrichten zu können.

Auch mit den Kreuzzügen wuchs die Geldwirtschaft. So stellten christliche Kaufleute den Kreuzfahrern Schiffe und Verpflegung zur Verfügung, zudem gewährten sie Darlehen. Die Hoffnung: Der erweiterte Handel in den von den Kreuzfahrern eroberten Gebieten. Bei neu gegründeten italienischen Handelsgesellschaften war es eine Zeit lang üblich, dass Gott ein Teilhaber war. Ein Kaufmann namens Bardi wies in seinen Büchern im Jahr 1310 aus, dass Gott 864 Pfund und 14 Sous erhielt. Bei Verträgen wurde Gott als Zeuge aufgerufen, als Dank wurde ihm ein Opfergeld gezahlt.

Das Geld und das Fegefeuer

Die Kirche stelle jedenfalls kein Hindernis in der Entwicklung des Kapitalismus dar. "Die Hoffnung, dank des Fegefeuers der Hölle zu entkommen, erlaubte es den Wucherern, die Wirtschaft und Gesellschaft des 13. Jahrhunderts voranzutreiben: in den Kapitalismus", zitiert von Braun den französischen Historiker Jacques Le Goff. "Der moderne Finanzkapitalismus ist in erster Linie ein Produkt der christlichen Kultur", ist die Kulturwissenschaftlerin überzeugt (mehr dazu: "Das Fegefeuer und der Aufstieg des Kapitalismus").

Die Autorin ist nicht der Verlockung erlegen, eine Geldutopie zu verfassen. Sie hat eine äußerst lehrreiche und kurzweilige Kulturgeschichte des Geldes geschrieben. Und sie zögert nicht, die vielen positiven Seiten des Geldes zu betonen - gerade in Zeiten, in denen Polemiken gegen Geld und Kapitalismus es bis auf die Bestseller-Listen schaffen: "Das Geld sorgt für die Abschaffung der Leibeigenschaft, durchbrach die strenge Klassenhierarchie des Feudalismus, verhalf vielen Menschen zu erträglichen Lebensbedingungen und gab dem Erfindergeist eine Reihe von kaum zu überschätzenden neuen Anstößen".

Literaturtipp:

Christina von Braun: "Der Preis des Geldes"


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