Im Kalten Krieg kämpften die USA gegen das kommunistische Land. Nun sehen sie es als Modell für Nordkoreas Öffnung. Auch Kim kann mit dem Besuch in dem Bruderstaat punkten.
Es ist Ironie der Geschichte, dass Donald Trump und Kim Jong-un ausgerechnet in Vietnam zum zweiten Mal aufeinander treffen. Mittwochabend werden der US-Präsident und der nordkoreanische Machthaber hier ihr Gipfeltreffen bei einem Abendessen in kleinem Rahmen einläuten und am Donnerstag ihre Gespräche über die atomare Abrüstung Nordkoreas weiterführen.
Und genau hier setzten die USA ihren Kampf gegen den Kommunismus, den sie wenige Jahre zuvor auf der koreanischen Halbinsel ausfochten, von 1955 bis 1975 fort. Auch im Vietnam-Krieg bekämpften US-Amerikaner, Südkoreaner, Russen, Chinesen und Nordkoreaner einander, bis die Kommunisten unter Diktator Ho Chi Minh die Weltmacht USA in die Flucht trieben.
So wandelt Machthaber Kim bei seinem Besuch in dem kommunistischen Einparteienstaat in den Spuren seines Großvaters Kim Il-sung. Der Gründer des stalinistischen Regimes anerkannte die kommunistische Regierung schon 1950, vier Jahre vor der Unabhängigkeit von den französischen Kolonialherren.
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Vom Armenhaus zum Wirtschaftswunder
Die Reise liefert für Kim symbolträchtige Bilder: Wie der nordkoreanische Übervater es 1964 tat, fuhr der dynastische Sprössling 4000 Kilometer mit dem grünen Panzerzug nach Vietnam. Mit rotem Teppich, Ehrengarde und nordkoreanischen Fahnen empfing ihn der mächtige Propagandachef Von Van Thuong am Dienstag an der Grenze zu China. Auch die als Reiseziel beliebte Halong-Bucht wird der junge Kim wie sein Vorbild vor 55 Jahren besuchen und sich dort Inspirationen für nordkoreanische Touristendestinationen holen.
Dass Kim Trump umschmeicheln und zugleich die Beziehungen zu Hanoi pflegen will, beweist der Austragungsort: Auf Betreiben Pjöngjangs fiel die Wahl in letzter Minute auf die nördlich gelegene Hauptstadt Hanoi und nicht auf die Küstenstadt Danang im Zentrum des Landes - ein Zugeständnis Washingtons. So wird sich Kim ebenso wie US-Präsident Trump mit der vietnamesischen Führung zu Gesprächen treffen.
Es ist aber vor allem Washington, das mit der Wahl Vietnams als Gastgeberland ein Zeichen setzen will. Seit Kriegsende vor vier Jahrzehnten hat das einst bitterarme Land sich nicht nur politisch dem einstigen Erzfeind Washington zugewandt, sondern auch einen rasanten wirtschaftlichen Wandel vollzogen. Die sogenannten "Doi Moi"-Reformen ab Mitte der 1980er Jahre bescherten dem 96-Millionen-Einwohner-Land ein durchschnittliches Wachstum von 6,7 Prozent. Nach wie vor aber sind Staatskonzerne - und mit ihnen Korruption - in Vietnam allgegenwärtig.
Kim könnte Samsung-Werk besuchen
Als wichtiger Fertigungsstandort in Südostasien beruht 90 Prozent des vietnamesischen Wirtschaftsleistung heute auf Exporten. Ein Paradebeispiel für die Auslandsinvestitionen, die der vietnamesischen Wirtschaft zum Aufschwung verhalfen, ist Samsung. Die Filiale des südkoreanischen Smartphone-Herstellers ist das größte Unternehmen im Land und hat Vietnam zum zweitgrößten Mobiltelefon-Exporteur der Welt gemacht.
Es kursierten sogar Gerüchte, dass Kim ausgerechnet eine Fabrik des Weltkonzerns aus dem südlichen Nachbarstaat, mit dem sich der Norden noch immer offiziell im Kriegszustand befindet, besuchen könnte. Wahrscheinlicher gilt jedoch, dass der Diktator ein Werk des vietnamesischen Autoherstellers Vinfast begutachten wird.
Auch außenpolitisch gewinnt Hanoi an Gewicht. Der Trump-Kim-Gipfel ist nur eines von vielen internationalen Großereignissen, deren Austragung sich Vietnam inzwischen zutraut. Nächstes Jahr findet erstmals ein Formel-1-Rennen in dem Land am Südchinesischen Meer statt. "Das Wunder könnte euer Wunder sein", sagte US-Außenminister Mike Pompeo bei seinem Besuch in Hanoi vergangenen Sommer in Richtung Nordkorea.
Wirtschaftsöffnung ohne Regimewechsel - ein Modell, das der Kim-Clan erwägen solle, lautet die Botschaft. Von politischer Öffnung ist Vietnam freilich weit entfernt: Die Unterdrückung Andersdenkender steht an der Tagesordnung.