Deflationsdebatte Vol. 4: Lingens antwortet

Wie kann die Eurozone ihre Krise wirklich überwinden?

Peter Michael Lingens hat mir eine Antwort auf meine Antwort auf seinen Gastkommentar zu meinem Artikel geschickt.

Und weil dieser Satz so schön kompliziert war, hier nochmal der genaue Ablauf der Konversation bisher:

Die Grundfrage ist simpel: Müssen wir uns vor einer Deflation in der Eurozone fürchten oder eher vor einer Entgleisung der lockeren Geldpolitik als Antwort auf diese Deflationsgefahr?

Die Details sind weniger simpel: Was, wenn beides droht? Wie steht es um die Unabhängigkeit - und die Glaubwürdigkeit der EZB? Und wie kann man Fiskal- mit Geldpolitik kombinieren ohne Kompetenzen zu überschreiten?

Lingens hat mich gebeten, seine Antwort hier zu veröffentlichen, was ich natürlich gerne mache. Ich werde sicherlich auch darauf eingehen, aber zuerst will ich die Argumente unkommentiert wiedergeben.

Deflationsdebatte Vol. 3 - Lingens antwortet

Peter Michael Lingens: 

"Auch ich weiß die Sachlichkeit der Auseinandersetzung zu schätzen.

Wie Sie mir richtig schreiben, liegen wir weit weniger auseinander, als es im ersten Augenblick scheint:
Beide meinen wir, dass „gefährliche Deflation“ noch nicht vorliegt. Beide sehen wir die selben Gefahren lockerer Geldpolitik und teilen die Ansicht, dass sie zur Inflation von Vermögenswerten (Aktien, Immobilien) führt, die in Verbindung mit hohen Schulden des Staates und der Bürger idealer Nährboden einer Krise ist. (So geschehen in den USA vor 2008, als sich der Staatshaushalt wegen zweier Kriege und die Privathaushalte wegen eines Kaufrausches immer höher verschuldeten und Alan Greenspan jedem Ansatz einer Korrektur an den Aktienbörsen damit begegnete, das Geld noch weiter zu verbilligen, statt es zu verteuern.)

Unsere Differenzen sind nicht grundsätzlicher, qualitativer sondern quantitativer Natur:

  • ich sehe uns „gefährlicher Deflation“ relativ näher als Sie.
  • und halte die Gefahr lockerer Geldpolitik derzeit für relativ weiter weg.

Vielleicht können wir uns sogar über die Kriterien einigen, die für die Nähe „gefährlicher Deflation“ gelten:

  1. dass sie längere Zeit andauert und sich vertieft
  2. dass die Bürger in Erwartung noch niedriger Preise mit ihren Einkäufen zuwarten. 
  3. dass Unternehmen mangels Nachfrage auf Investitionen verzichten
  4. dass die Deflation mit stagnierendem Wirtschaftswachstum und bereits hoher Arbeitslosigkeit zusammentrifft.

Von diesen Kriterien sind (1) und (2) derzeit sicher nicht erfüllt. Aber ich sehe sehr wohl eine große Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen, ein bereits seit Jahren stagnierendes Wachstum bei hoher Arbeitslosigkeit. Das veranlasst mich, die Situation doch relativ kritisch zu sehen: Ich will ungern zuwarten, bis auch (1) und (2) erfüllt sind.

Das wieder beeinflusst mein Verhältnis zu Geldpolitik und zuletzt QE: ich meine, das ihre Risiken angesichts der relativen Nähe „gefährlicher Deflation“ in Kauf genommen werden müssen, weil ich diese Risiken derzeit für relativ geringer als Sie halte.

Vielleicht können wir uns auch diesbezüglich auf Kriterien einigen:

  • Es steigt, wenn bereits Vermögensinflation im Gange ist.
  • es ist bei Aktien-Inflation weniger kritisch als bei Immobilien-Preis-Inflation, weil Aktien in Europa eher nur von Wohlhabenden Personen gehalten werden, während viele Bürger von steigenden Mieten betroffen sind.
  • es wird gefährlich, wenn sich bereits Blasen bilden.
  • und akut, wenn Staaten, Unternehmen und Bürger immer mehr und immer unvorsichtiger Kredite beantragen und von den Banken auch erhalten.

Ich sehe Vermögensinflation derzeit bereits im Gange, aber vorerst noch keine Aktien-Blase (die Ziffern habe ich angeführt) und noch keine gefährliche Immo-Blase. Die EZB hat auch die Möglichkeit ihr entgegenzuwirken: Indem sie den Banken vorschreibt, Immobilienkredite mit mehr Sicherheiten zu hinterlegen.

Vor allem aber sehe ich derzeit wenig Bereitschaft der Banken, locker Kredite zu vergeben sondern wir erleben ja im Gegenteil ihr diesbezügliches Zögern.
Deshalb glaube ich, dass Mario Draghi QE riskieren kann und soll.

Beide sind wir allerdings nicht von seiner Wirkung nicht überzeugt: Unternehmen nehmen keinen Kredit auf, weil billiges Geld noch um eine Nuance billiger geworden ist, sondern weil sie sich von einer allfälligen Investition steigenden Absatz erwarten.

Den können sie derzeit meines Erachtens nicht erwarten, solange Angela Merkels Spar-Pakt auch starke Staaten an Investitionen hindert. Deswegen fürchte ich, das QE nur bescheidenen Nutzen bringen wird und verstehe sogar, wenn jemand das damit jedenfalls verbundene Risiko für zu groß hält.

Ich hielte für weit besser, den Spar-Pakt aufzukündigen, als QE einzuführen, obwohl es sich in den USA und Großbritannien bewährt hat."

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